ÜbersichtEuropapokal der LandesmeisterEuropapokal der PokalsiegerUEFA-PokalIntertoto-Cup
Europapokal der Landesmeister 1988/89
1. Runde06.09.1988BFC Dynamo – Werder Bremen3:0
11.10.1988Werder Bremen - BFC Dynamo5:0
Europapokal der Pokalsieger 1988/89
1.Runde07.09.1988FC Carl Zeiss Jena - Kremser SC5:0
05.10.1988Kremser SC - FC Carl Zeiss Jena1:0
2.Runde26.10.1988FC Carl Zeiss Jena - Sampdoria Genua1:1
09.11.1988Sampdoria Genua - FC Carl Zeiss Jena3:1
UEFA-Pokal 1988/89
1.Runde07.09.1988FC Aarau - 1. FC Lokomotive Leipzig0:3
07.09.1988FC Aberdeen - Dynamo Dresden0:0
05.10.19881. FC Lokomotive Leipzig - FC Aarau4:0
05.10.1988Dynamo Dresden - FC Aberdeen2:0
2.Runde26.10.19881. FC Lokomotive Leipzig - SSC Neapel1:1
26.10.1988Dynamo Dresden - KSV Waregem4:1
09.11.1988SSC Neapel - 1. FC Lokomotive Leipzig2:0
09.11.1988KSV Waregem - Dynamo Dresden2:1
Achtelfinale23.11.1988Dynamo Dresden - AS Rom2:0
07.12.1988AS Rom - Dynamo Dresden0:2
Viertelfinale28.02.1989AS Victoria Bukarest - Dynamo Dresden1:1
15.03.1989Dynamo Dresden - AS Victoria Bukarest4:0
Halbfinale05.04.1989VfB Stuttgart - Dynamo Dresden1:0
19.04.1989Dynamo Dresden - VfB Stuttgart1:1
Intertoto-Cup 1988/89
Gruppe 125.06.1988Malmö FF - FC Karl-Marx-Stadt5:0
29.06.1988Hannover 96 - FC Karl-Marx-Stadt0:1
02.07.1988FC Den Haag - FC Karl-Marx-Stadt1:2
06.07.1988FC Karl-Marx-Stadt - Malmö FF0:1
09.07.1988FC Karl-Marx-Stadt - FC Den Haag4:0
16.07.1988FC Karl-Marx-Stadt - Hannover 961:0
Gruppe 326.06.1988SC Chemie Halle - Bröndby IF0:2
29.06.1988Örgryte IS - Chemie Halle1:0
02.07.1988TJ Banik Ostrava OKD - SC Chemie Halle3:0
06.07.1988SC Chemie Halle - Örgryte IS2:2
09.07.1988Bröndby IF - SC Chemie Halle1:3
16.07.1988SC Chemie Halle - TJ Banik Ostrava OKD0:1
Gruppe 829.06.1988FC Carl Zeiss Jena - Aarhus GF2:2
Gruppensieger03.07.1988FK Rad Belgrad - FC Carl Zeiss Jena4:0
06.07.1988FC Swarovski Tirol - FC Carl Zeiss Jena3:4
10.07.1988FC Carl Zeiss Jena - FC Swarovski Tirol1:0
13.07.1988Aarhus GF - FC Carl Zeiss Jena2:0
16.07.1988FC Carl Zeiss Jena - FK Rad Belgrad1:0
Gruppe 1125.06.19881.FC Magdeburg - Bayer 05 Uerdingen1:2
29.06.19881.FC Magdeburg - AZ Alkmaar2:1
02.07.1988Bayer 05 Uerdingen - 1.FC Magdeburg2:0
09.07.19881.FC Magdeburg - Odense Boldklub3:1
13.07.1988AZ Alkmaar - 1.FC Magdeburg4:1
16.07.1988Odense Boldklub - 1.FC Magdeburg5:2
Der Europapokal der Landesmeister 1988/89 war die 34. Auflage des Wettbewerbs. 31 Klubmannschaften nahmen teil, darunter der Titelverteidiger und aktuelle Meister aus den Niederlanden PSV Eindhoven und 30 weitere Landesmeister der vergangenen Saison. Im Camp Nou in Barcelona wurde am 24. Mai 1989 das Finale ausgespielt.

Das kann sich sehen lassen!

Unsere vier EC-Starter haben die Fragezeichen vorerst positiv aufgelöst. In der nationalen Meisterschaft noch mit unterschiedlichen Leistungen aufwartend, steigerten sie sich in der Stunde der Bewährung: Drei Siege und ein (Auswärts-) Remis mit 11:0 Toren das kann sich durchaus sehen lassen und liegt, seien wir ehrlich; über all unseren Erwartungen. Der Vergleich zum Vorjahr drückt es aus, als wir in 360 Minuten keinen einzigen Treffer erzielten. Für Euphorie ist bei der harten Fußballrealität zwar kein Platz, doch das Weiterkommen des 1. FC Lok und FC Carl Zeiss ist sicher, und die beiden Dynamo-Teams haben sich eine glänzende Ausgangsposition geschaffen. Besinnung auf die eigenen Potenzen und Kräfte – all das stand un- serem Fußball im EC-Auftakt gut zu Gesicht. Freuen wir uns auf die Rückspiele!

1. Runde Hinspiel 06.09.1988
BFC Dynamo3:0 (1:0)Werder Bremen
Bodo RudwaleitOliver Reck
Hendrik HerzogUli Borowka 46' Günter Hermann
Marco KöllerRune Bratseth
Burkhard ReichMichael Kutzop
Frank RohdeJonny Otten
Eike KüttnerGunnar Sauer
Michael Schulz GK 89' Dirk AndersNorbert Meier
Thomas DollVegard Skogheim 57' Manfred Burgsmüller
Rainer ErnstMirko Votava
Frank Pastor 90' Bernd SchulzThomas Wolter
Andreas ThomKarl-Heinz Riedle
Trainer: Jürgen BogsTrainer: Otto Rehhagel
Schiedsrichter:Marcel Van Langenhove (Belgien) - Schelings, Sandra (alle Belgien).
Zuschauer:21.000 im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin
Tore:1:0 Thomas Doll (16.), 2:0 Andreas Thom (62.), 3:0 Frank Pastor (77.).
Leistung des SchiedsrichtersDer Belgier brauchte keine große Arbeit zu verrichten, dennoch einige strittige Freistoßentscheidungen, insbesondere gegen Thom in der 71. Minute, als der Berliner nach korrektem Einsatz mit dem Ball auf und davon zog. Aufmerksame Linienrichter bei Abseitsentscheidungen.
Statistik:Torschüsse: 7:6 (3:4); verschuldete Freistöße: 21:12 (106); Eckbälle: 3:4 (2:4); Chancen: 6:5 (2:2); Abseits: 1:5 (0:3); Verwarnungen: M. Schulz sowie Sauer (beide wegen Foulspiels); Wetter: trocken und kühl.
Spielbericht
24 000 Zuschauer waren sich einig:

Vielen Dank für den Abend

Von Jürgen Nöldner
Standing ovations für unseren Meister nach einem dramatischen, spielerisch beeindruckenden Fight. Das Bild wird noch lange in Erinnerung bleiben. Und Millionen an den Fernsehschirmen brachte es einen vergnüglichen Abend, einen Fußball-Schmaus mit Delikatessen europäischer Klasse. Mag manch einer den warnenden Finger ob des ausstehenden Rückspiels heben, den Abend in Berlin kann niemand vermiesen. Helga Hahnemann, Berliner Ulknudel und dem Fußball freundschaftlich verbunden, sagte es auf ihre treffende Art:,,Sitze ick doch am Fernseher und denke, ick spinne.“

Fürs,,Spinnen“ sorgte der BFC mit einer Leistungssteigerung gegenüber dem Meisterschaftsalltag, die eigentlich nur erhofft werden konnte. ,,Er bot individuell Beeindruckendes und bewies, daß wir uns nicht zu verstecken brauchen“, lobte Auswahltrainer Bernd Stange. Dabei konnte er registrieren, daß (endlich alle) Leistungsträger den Nachweis vorhandener Klasse erbrachten, spielerisches Können mit kämpferischem Aufbegehren und nervlicher Stärke verbanden. Rudwaleits Glanztaten gegen Wolter, Skogheim und vor allem Meier, als das Zu-Null auf dem Spiele stand, gehörten ebenso dazu wie das disziplinierte, auf Raumdeckung orientierte Verhalten seiner Vorderleute, von denen die Herzog und Köller gerade dem Juniorenalter entwachsen sind, aber dennoch kaltschnäuzig agierten, Rohdes Umsicht und Vorwärtsdrang mit Musterpaß vor dem ersten Tor hatte Signalwirkung, so daß Dolls und Thoms Wendigkeit und Spritzigkeit die Bremer Hintermannschaft fast in einen aufgeregten Hühnerhaufen verwandelten, wenn die Konter aus der Tiefe kamen. Es soll keine Beckmesserei sein, Andreas Thom hätte vor der Pause sogar noch mehr draus machen können, doch diesmal ,,fehlte“ es ihm am notwendigen Eigensinn, versuchte er die Mitspieler dort in Szene zu setzen, wo sein technisches Können das Allein geradezu herausforderte. Doch es eben immer recht zu tun, wer kann es schon?

Ins Rampenlicht rückte neben dem sich in der zweiten Halbzeit steigernden Ernst, der offensichtlich mit am besten seine Kräfte einteilte, noch die weiten Wege ging, mit Michael Schulz ein gestandener Dreißigjähriger, dessen Dirigentenkünste wohl zum ersten Male so aufblitzten, als wäre ein EC-Spiel dieses Ausmaßes das Alltäglichste. Sich selbst zu übertreffen und dabei kaum etwas verkehrt zu machen, aus solchem Holz müssen EC-Spieler geschnitzt sein. Drei Stürmer drei Tore: Das gab es in der Vergangenheit nicht oft als Formel. Und was für Treffer: klug herausgespielt und konzentriert vollendet, als sei gar kein nervlicher Kitzel vorhanden.

Die Fassungslosigkeit der Bremer Akteure in der Kabine, die wohl mit allem, nur nicht damit gerechnet hatten, nicht etwa nur niedergekämpft, sondern eben regelrecht ausgespielt zu werden, die Wortkargheit von Manager Lemke und Trainer Rehhagel auf der Pressekonferenz drückten die Betroffenheit aus. Rehhagels versuchtes Verwirrspiel der Norweger Skogheim als zweite Spitze, dafür Hermann, Ordenewitz und Burgsmüller auf der Bank schien gar mehr seine eigenen Akteure zu verunsichern. Natürlich hängt ein Spiel auch von Unwägbarkeiten und Zufällen ab. Mögliche Tore der Bremer bei ihren drei klarsten Gelegenheiten blieben aus und brachten sie nun in einen Zugzwang, sich zu entscheiden, auf ein erträgliches Resultat oder auf einen eigenen hochwichtigen Treffer auszugehen. In diesem Zwiespalt der Gefühle verloren sie den Rhythmus, konnte auch Joker Burgsmüller nichts Entscheidendes mehr bewirken.

,,Das Wunder von Bremen“ hieß es, als Werder einen 1:4-Rückstand gegen Spartak Moskau und Weltklassetorwart Dassajew wettmachte. Darauf hofft man nun an der Weser, doch kehren Wunder immer wieder? Der BFC wird hoffentlich keine Antwort schuldig bleiben und es mehr mit der Regel des früheren DDR-Auswahltrainers Karoly Soos halten: Wer einmal gut spielt, kann es immer. Also BFC, wir warten auf mehr solche Abende.

Begeisterung, Bewunderung und Erinnerungen

Am 10. Oktober vergangenen Jahres hatte der umgebaute Berliner Jahn-Sportpark mit nunmehr zwei überdachten Tribünen seinen ersten großen Fußballtag. Da begeisterte unsere Nationalmannschaft das sehr kritische hauptstädtische Publikum mit einer großartigen Partie gegen den späteren Vize-Europa- meister UdSSR (1:1). Diese Stimmung wurde am Dienstagabend noch übertroffen. Der BFC Dynamo versetzte beim Start in seinen 14. Europapokalwettbewerb die 24 000 in einen wahren Fußballrausch. Für gelungene Angriffszüge gab es Beifall auf offener Szene, Freistöße und Eckbälle wurden mit rhyth- mischem Klatschen begleitet, schließlich drei herrliche Tore und am Ende ein unerwartet klarer Sieg mit orkanartigem Jubel, mit stehenden Ovationen gefeiert. Solch einen Fußballfesttag habe ich letztmals im Herbst 1984 in Dresden erlebt, als die Dynamo-Elf in der ersten Runde des EC II Malmö FF nach einem Hinspiel-0:2 noch mit 4:1 eliminierte.

Es gab sehr viel Anerkennung und Bewunderung für unseren zehnfachen Meister, der in dieser bedeutsamen Partie, die in westlichen Medien zum deutsch-deutschen Supercupfinale hoch stilisiert worden war, zu solch lockerer Spielweise fand. Der BFC Dynamo hat mich sehr beeindruckt. Das war ein anderer Stil vom DDR-Fußball, als ich ihn kenne. Da kam mir vieles dänisch vor“, war dann auch der UEFA-Beobachter Erik Hyldstrup aus Dänemark voll des Lobes. Und Karlheinz Riedle, einer der Bremer Nationalspieler, machte dem Sieger ebenfalls ein großes Kompliment, er hat superstark gespielt“.

Vor diesem 55. EC-Spiel hatte der BFC schon sechsmal zu Hause mit drei Toren Differenz gewonnen. Fünfmal reichte es zum Weiterkommen. Nur Roter Stern Belgrad konnte im UEFA-Cupwettbewerb 1978/ 1979 ein 2:5 von Berlin noch mit einem 4:1 durch die Auswärtstoreregelung wettmachen. Diesmal kann sich der BFC im Rückspiel sogar ein 1:4 leisten.

Die Werder-Elf mußte bei ihrer neunten EC-Teilnahme im 35. Spiel die dritte Niederlage in dieser Höhe hinnehmen. Den Fußballanhängern wird sicherlich noch in guter Erinnerung sein, wie sie im Vorjahr im UEFA-Cup ein 1:4 bei Spartak Moskau noch mit einem 6:2 n. Verl. umkippte. Unser Meister ist also hinreichend gewarnt. Trainer Otto Rehhagel wird nichts unversucht lassen, um diese Blamage“, von der er unverblümt sprach, irgendwie noch aus der Welt zu schaffen.

Nicht, um den Teufel an die Wand zu malen, sondern wirklich nur, um vor übertriebenem Optimismus zu warnen, noch dies: Nachdem die Dresdner vor vier Jahren Malmö FF ausgeschaltet hatten, bewiesen sie auch im Viertelfinale gegen Rapid Wien mit 3:0 ihre Heimstärke. Im Rückspiel aber gab es im Hanappi-Stadion einen 0:5-Einbruch. Doch das ist Vergangenheit. Ich bin sicher, dem BFC reicht dieses 3:0. MANFRED BINKOWSKI

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 37/1988

1. Runde Rückspiel 11.10.1988
Werder Bremen5:0 (1:0)BFC Dynamo
Oliver ReckBodo Rudwaleit
Uli BorowkaHendrik Herzog GK
Rune BratsethMarco Köller
Michael KutzopBurkhard Reich
Jonny OttenFrank Rohde
Thomas SchaafEike Küttner
Günter Hermann GKMichael Schulz GK 80' Waldemar Ksienzyk
Norbert Meier 74' Thomas WolterThomas Doll
Mirko VotavaRainer Ernst
Manfred BurgsmüllerFrank Pastor 81' Dirk Anders
Karl-Heinz RiedleAndreas Thom
Trainer: Otto RehhagelTrainer: Jürgen Bogs
Schiedsrichter:Joël Quiniou (Frankreich) - Veniel, Mano (beide Frankreich)
Zuschauer:23.542 im Weser-Stadion in Bremen
Tore:1:0 Michael Kutzop (22. / Elfmeter), 2:0 Günter Hermann (55.), 3:0 Karl-Heinz Riedle (62.), 4:0 Manfred Burgsmüller (71.), 5:0 Thomas Schaaf (90.).
Leistung des SchiedsrichtersDer Franzose beging keine größeren Fehler, beurteilte aber Freistoßsituationen unterschiedlich, zumeist zuungunsten der Berliner. Vor allem auf die ständigen „Schwalben" von Riedle fiel er herein.
Statistik:Torschüsse: 15:2 (72); verschuldete Freistöße: 18:23 (8:11); Eckbälle: 15:0 (60); Chancen: 16:2 (8:2); Abseits: 12:1 (4:1); Verwarnungen: Hermann (wegen Ballwegschlagens) sowie Herzog (wegen Foulspiels), M. Schulz (wegen Festhaltens); Wetter: kühler Abend, ab und an Nieselregen.
Spielbericht
In der Weser Kopf unter

Von Jürgen Nöldner
Nach den neunzig Minuten war das Drama im Weser-Stadion zum Trauma für den BFC geworden. 0:5 – an Deftigkeit fehlte es wahrlich nicht. In der Weser Kopf unter, anders kann die Situation nicht beschrieben werden, weil die Hoffnungen und ja auch wohl berechtigten Erwartungen auf ein Weiterkommen im wichtigsten Europacup förmlich in den Wellen des bremischen Flusses untergingen.

Natürlich galt es einzukalkulieren, daß in aufgeheizter Atmosphäre – „die Schmach von Berlin tilgen und unseren Ruf wiederherstellen“, so Manager Lemke Spannungseffekte sich urplötzlich entladen, das „beschworene Wunder von Bremen“ in Erinnerung an das Dassajew-Desaster von Spartak Moskau zu Kulminationspunkten führen könnte, bei denen die Widerstandsfähigkeit jedes einzelnen hart geprüft würde. Sicherlich könnte im nachhinein nur beim Betrachten des Ergebnisses der Spruch seine Berechtigung haben, „daß das 3:0 von Berlin erst Halbzeit bedeute“, aber bei ständiger Wiederholung solcher Fest- stellungen vor dem Anstoß liegt mir zuviel Zaghaftigkeit drin. Selbstverständlich ist Überheblichkeit auch nach Vorsprüngen fehl am Platze, doch der klare Wille, den Sack zuzubinden, das notwendige Selbstbewußtsein auszudrücken, muß erkennbar sein. Wer es nicht auch schon vor dem Spiel demonstriert, wird aus dem Schatten nicht heraustreten können.

Und genau das passierte den Berlinern. Statt die pralle Brust des Vorsprungs zu zeigen „offenbarten wir eine reservierte, ja ängstliche Haltung“, formulierte Kapitän Frank Rohde treffend. Bei den Berlinern war die Hoffnung auf das Verrinnen der Minuten größer als der Mut, auch in der hektischen Kulisse ein eigenes Spiel zu spielen. Physisch und psychisch nicht fit war der Widerstand gleich Null! Dabei kann weder Bodo Rudwaleit als Dauerbeschäftigtem noch der überlasteten Abwehrkette ein Vorwurf gemacht werden, weil auf die Dauer den vielen Torwellen von Werder einfach nicht standgehalten werden konnte, sondern in der mittleren Zone und in der Angriffsreihe bar jeden modernen Spieles und Abwehrverhaltens den Werderanern alles gestattet wurde. Dem taktischen Rezept des Gastgebers, vor allem über die Vierer-Mittelfeldreihe, auf der linken Seite durch den spielgewitzten Meyer und den überragenden Hermann (un- bedrängte) Angriffe inszenieren zu können, wurde von der Bank nichts entgegengesetzt, obwohl spätestens nach zwanzig Minuten eine Umorientierung erfolgen mußte. Aber Zaghaftigkeit und Ratlosigkeit, fast Lethargie hatten sich auch schon hier eingeschlichen.

Zwei Schüsse – ein Freistoß von Thom und ein Hackentrick von Doll – und eine Halbwegschance, als Doll den Ball eigentlich bloß über den heraus geeilten Reck ins Tor hätte heben müssen (35.) waren die ganze Ausbeute der (Nicht-) Angriffsversuche. Thoms und Dolls unbegreifliche, nicht zu tolerierende Inaktivität beraubten den BFC der Chance auf ein doch so wichtiges Tor, vor dem sich ganz Bremen vorher fürchtete. Als Doll Bratseth vor dem 1:0 ungehindert in den Strafraum ziehen ließ und Rohde zu allem Überfluß noch ein unnötiges Foul beging, zeigte sich die Kalamität des BFC an diesem Abend deutlich – fehlende Abstimmung, Mutlosigkeit, Ängstlichkeit, Unsicherheit.

Werders bis in die Haarspitzen motivierten Akteure ließen sich solches Entgegenkommen natürlich nicht entgehen. Die Angriffswellen aus allen Reihen voran Bratseth, Schaaf, Votava, Hermann, Riedle, Meyer – brachten Minute für Minute das Weiterkommen näher. „Als die 1:0- Führung fiel, glaubte ich daran, daß wir es schaffen könnten“, meinte Trainer Otto Rehhagel, dessen Seitenlinientänze zwar im nachhinein – durch die UEFA (unwesentlich) bestraft wurden, die aber auf seine Spieler wie ein Wunderwasser wirkten. Förmlich sich um jeden Ball zerreißend, wurden von den Werder-Spielern alle – die Ausnahmen sind an zwei Händen abzuzählen – Zweikämpfe gewonnen und damit das Übergewicht geschaffen, aus dem sich die Tore wie Sand in der Wüste machen ließen. Der BFC stand oft einfach nur daneben – und das konnte nur das Aus sein. Ein bitteres Debakel.

Wohin führen diesmal die EC-Spuren Werders?

Vor einem halben Jahr tanzte der Bremer Klub SV Werder – der übrigens am 1. 2. 1989 sein immerhin 90jähriges Bestehen feiern wird und dann natürlich noch im internationalen Geschäft dabeisein möchte auf drei Hochzeiten. Doch ausgerechnet daheim, wo der SV Werder eine Macht ist, gaben ihm im DFB-Pokal die Frankfurter Eintracht mit 1:0 und Bayer Leverkusen im EC III mit einem 0:0 – Hinspiel 1:0 für Leverkusen – einen Korb, ehe der Meisterschaftstriumph alle Sorgen glättete, der zweite Titelgewinn nach 1965.

Immerhin, die EC-Spuren des Bremer Renommierklubs führten also bis unter die letzten vier im UEFA-Cup. Nun also ist es der zweite Anlauf der Grün-Weißen im schwersten Wettbewerb der europäischen Klubmannschaften, bei dem in der Saison 1965/66 nach zwei Runden durch Partizan Belgrad das Aus kam. „Trotz hervorragender Leistungen häufig vorzeitig ausgeschieden“, resümierte das „Werder-Echo“, die zu Heimspielen herausgegebene Stadion-Zeitung, diesmal zum Match gegen den BFC mit 32 Seiten erschienen. Oft sprach die Torklausel für den Kontrahenten: für den RSC Anderlecht 84/85 (0:1, 2:1), für Tschernomorez Odessa 85/86 (1:2, 3:2) oder Atletico Madrid 86/87 (0:2, 2:1 n. V.). Alle Partien dabei im UEFA-Cup. Einen Drei-Tore-Rückstand ließen die Bremer allerdings nur ein einziges Mal vor dem Berliner Spiel zu. Eben jenes nun so oft bemühte 1:4 gegen Spartak Moskau, ehe das kreierte Wunder von der Weser“ die Wende brachte und wohl noch den Kindeskindern erzählt wird. Trainer Otto Rehhagel zitierte gleich die ganze Strophe dieses einstigen Schlagers in der Pressekonferenz. Zuvor hatten die Bremer gerade mit DDR-Mannschaften einige Sorgen. Gegen den 1. FC Lok schieden die Werder-Kicker 83/84 mit 0:1 und 1:1 aus, nachdem zuvor Malmö FF eliminiert worden war, und gegen den FC Vorwärts Frankfurt retteten sie sich nach einem 3:1-Auswärtssieg mit einer 0:2-Heimniederlage gerade noch in die nächste Runde (82/83).

Diesmal sollen also die größten EC-Brötchen gebacken werden. Unsere Mannschaft besitzt noch ungeahnte Potenzen, dürfte noch zu Besserem und Größerem fähig sein, ohne daß wir nun jedes Jahr Meister werden“, erklärte Frank Neubarth in einem Interview. Celtic-Manager Mc Neill, der die seltene EC-Gelegenheit hatte, gleich beide möglichen Rivalen zu studieren, wird sich bei seinem Flug in Richtung Glasgow seine Gedanken gemacht haben. „Gegen die Schotten dürften wir einen solchen Rückstand wohl kaum aufholen“, weiß auch Bremens Meistermacher Rehhagel. Denn für ein Wunder genügen nicht nur die eigenen Potenzen, da muß der Kontrahent schon Unterstützung gewähren. Der BFC tat es in zu großem Maße. J. N.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 42/1988

EC II 88/89 1. Runde

Der Europapokal der Pokalsieger 1988/89 war die 29. Ausspielung des Wettbewerbs der europäischen Fußball-Pokalsieger. 33 Klubmannschaften aus 32 Ländern nahmen teil, darunter Titelverteidiger KV Mechelen, 21 nationale Pokalsieger und 11 unterlegene Pokalfinalisten (FC Carl Zeiss Jena, Roda JC Kerkrade, Derry City, FC Avenir Beggen, FC Floriana, Glenavon FC, Vitória Guimarães, Dinamo Bukarest, Dundee United, Inter Bratislava und Sakaryaspor). Vereine aus England waren nach der Katastrophe von Heysel weiterhin von der Teilnahme ausgeschlossen.

Aus Deutschland waren DFB-Pokalsieger Eintracht Frankfurt, aus der DDR FDGB-Pokalfinalist FC Carl Zeiss Jena, aus Österreich ÖFB-Cupsieger Kremser SC und aus der Schweiz Cupsieger Grasshopper Club Zürich am Start.

Im Finale im Wankdorfstadion von Bern errang der FC Barcelona nach 1979 und 1982 mit einem 2:0 gegen Sampdoria Genua seinen dritten Titel im Pokalsiegerwettbewerb.

Torschützenkönig wurde der Bulgare Christo Stoitschkow von ZFKA Sredez Sofia mit 7 Toren.

1. Runde Hinspiel 07.09.1988
FC Carl Zeiss Jena5:0 (1:0)Kremser SC
Perry BräutigamHorst Kirasitsch
Thomas LudwigSlobodan Batričević
Jens-Uwe PenzelFranz Miesbauer GK
Heiko PeschkeHannes Neumayer
Michael StolzJohann Drabek 76' Horst Baumgartner
Stefan BögerErwin Höld GK
Oliver Merkel 90' Steffen ZipfelPeter Netuschill
Jürgen RaabErwin Wolf 39' Thomas Pirkner
Mario RöserThomas Janeschitz
Ralf SträßerNedeljko Milosavljević
Heiko Weber GK 87' Henry LesserRonald Otto
Trainer: Lothar KurbjuweitTrainer: Karl Daxbacher
Schiedsrichter:Christian van der Laar (Niederlande) - Houben, Mierlo (beide Niederlande)
Zuschauer:9.000 auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena
Tore:1:0 Heiko Weber (19.), 2:0 Ralf Sträßer (48.), 3:0 Oliver Merkel (53.), 4:0 Ralf Sträßer (67.), 5:0 Thomas Ludwig (78.).
Leistung des SchiedsrichtersDer 43jährige Referee reagierte auf unsaubere Zweikampfführung korrekt und unnachgiebig mit der ersten Gelben Karte für Miesbauer schon in der 6. Minute. Dafür bewahrte er sich den Blick durchgängig bei überwiegend gutem Positionsspiel.
Statistik:Torschüsse: 19:4 (7:2); verschuldete Freistöße: 28:17 (21:10); Eckbälle: 4:3 (4:0); Chancen 7:1 (1:0); Abseits: 2:1 (1:0); Verwarnungen: Weber sowie Miesbauer (beide wegen Tretens), Höld (wegen Festhaltens); Wetter: überwiegend sonnig, windstill.
Standesgemäßes Resultat:

Spielbericht
Als Jena im Tempo anzog..

Von Dieter Buchspieß
Das war’s eigentlich schon! Für den Jenaer Klub beginnt der Ernst des Europa-Pokals erst in Runde 2…

Österreichs Sensations-Pokalsieger bedeutete für den Gastgeber keine echte Herausforderung. Das spürte man relativ schnell, auch wenn der FC Carl Zeiss sein Wunschresultat erst im Verlauf der zweiten Halbzeit herausspielte. „Aber mir war von vornherein klar“, so Trainer und Exinternationaler Karl Daxbacher, daß uns der Gegner mit fortschreitender Zeit infolge seiner weitaus besseren Athletik in eine hoffnungslose Situation stürzen würde. So kam es dann auch.“ In Anstand und Ehren unterzugehen war das einzige, was seinen Schützlingen da noch blieb.

Mit aller Deutlichkeit muß aber auch dies gesagt werden: Um die Begegnung eben auf der Basis des besseren Fitneßzustandes deutlich zu entscheiden, bedurfte es einer viel zu langen Anlaufzeit. Eine Erklärung dafür? „Zahlreiche unserer EC-unerfahrenen Spieler besaßen zunächst nicht die geforderte Selbstbeherrschung, um das Spiel in geordnete Bahnen zu lenken“, so Lothar Kurbjuweit. Vorbehaltlos zu akzeptieren sind diese Worte nicht, denn schließlich mußte sich der Klub ja mit einem absoluten Greenhorn in diesem Wettbewerb auseinandersetzen. Was uns in den ersten 45 Minuten mißfiel: Die Zeiss-Aktionen waren von selbstzerstörerischer Wirkung. Wie das verstanden werden soll? Zwei bewährte Strategen wie Dieter Scheitler und Werner Krauß fanden darauf die richtige Antwort: „ Unkontrolliertes Zweikampfverhalten führte immer wieder zu Unterbrechungen mit Ballverlusten. Das war kein Erfolgsrezept.“

Es muß mit dem Hinweis auf die statistischen Fakten noch einmal unmißverständlich unterstrichen werden: 21 (!) zu 10 verschuldete Freistöße in den ersten 45 Minuten belasteten Jenas Rhythmus schwerwiegend. Deshalb also nur 1:0 vor dem Seitenwechsel, und das noch zudem begünstigt durch einen Fehler des dadurch offenbar völlig verunsicherten Torhüters Kirasitsch.

Der FC Carl Zeiss sah sich demzufolge aufgemuntert, endlich zu einem zielbewußten Angriffsstil zu finden, Tempoakzente im Kombinationsfluß zu setzen, Abspiel-Fehlerquellen weitestgehend auszuschalten. „Das gelang ihm nun erheblich eindrucksvoller mit dem Gefühl im Rücken, daß Krems bei durchaus gefälligen Spielansätzen im Mittelfeld außerstande war, die fast pausenlos unter Druck stehende Abwehr wirkungsvoll zu entlasten“, wie der stellvertretende DFV-Generalsekretär Manfred Zapf den weiteren Verlauf einschätzte. Schon erste Ansätze, in Höhe des gegnerischen Strafraums den Doppelpaß zu suchen (Böger, Weber), sich in der Spitze die entsprechenden Freiräume zu schaffen (Merkel), aus der Tiefe kommend die größere Antrittsschärfe zu nutzen (Penzel, Ludwig), ließen das Kremser Deckungsgefüge regelrecht auseinanderbrechen. Der enorme Fleiß der ersten Halbzeit mit der festen taktischen Order, immer wieder erfolgreich in den verengten Räumen zu stören, forderte nun seinen Tribut. Routinier Drabek, am Ball zweifellos versiert wie manch anderer seiner Nebenleute auch, resignierte mit dem Hinweis auf seine dann auch vorgenommene Auswechslung als erster. ,,Wir waren jetzt, da Jena Druckfußball ohne nennenswerte Atempausen zeigte, stehend K. o.“, wie der Mittelfeldakteur später zugestand.

Von dem Gedanken, eine Elf zweitklassigen Formats bezwungen zu haben, wollte sich Zeiss-Trainer Lothar Kurbjuweit auch nach Spielende nicht so recht freimachen. Doch die kapitalen Schwächen, die Kirasitsch, der beim 5:0 durch Ludwig über den Ball schlagende Batricevic und andere jetzt begingen, rechtfertigten diese Wertung wohl doch. Das Ergebnis wahrte die Leistungs-Relationen an diesem Tag. Aber in der Freude darüber verlor der Sieger ganz sicherlich nicht das Gefühl dafür, daß er in der kollektiven Ausstrahlung wie in der individuellen Strategie (Raab) zu Besserem fähig ist.

Unter dem eingangs erwähnten Aspekt, daß der Ernst des diesjährigen Europa-Pokals ja erst in der zweiten Runde beginnt…

Von „Sternstunden“ und bitterer Realität

Die wenigen sogenannten Sternstunden des Kremser SC über seinen diesjährigen Pokaltriumph und die damit verbundene erstmalige Teilnahme am Europa-Cup hinaus sind, wie es die Chronik registriert, in nachfolgenden Sätzen festgehalten:

Juni 1930: Nach einem 3:1 und 3:3 gegen den Grazer AK österreichischer Amateur-Staatsmeister;

Juni 1956: Nach zwei Erfolgen über Schwarz-Weiß Bregenz mit 1:0 und 3:1 erstmaliger Aufstieg in die Staatsliga A;

Oktober 1956: 2:0-Sieg in Wien auf der Hohen Warte“ vor 30 000 Zuschauern über die Austria, die im Rückspiel vor 8000 Fans im eigenen Stadion dann noch einmal 4:3 bezwungen wird;
Mai 1976: Aufstieg in die 2. Division unter Trainer Szanwald;

Juni 1983: Nach Abstieg erneute Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse; diesmal unter Trainer Dienst;

April 1987: 2:0 bei Austria Wien im Pokal, das infolge des unberechtigten Mitwirkens von Milanovic schließlich sogar in ein 3 :0 für Krems umgewandelt wird. Ein Jahr später schließlich der Weg bis hin zu den beiden Finalspielen mit dem FC Tirol (2:0, 1:3).

Was danach kam: Im Supercup-Endspiel gegen Rapid Wien mußte sich Krems unter seinem neuen Trainer Karl Daxbacher nach einem 1:1 erst im fälligen Elfmeterschießen mit 1:3 geschlagen geben. Der Ex-Nationalspieler dazu seinerzeit im Kurzkommentar: „Ich bin nicht enttäuscht. Kampf und Einsatz stimmten. Das macht uns auch für den EC optimistisch.“ Und Hans Krankl, zwischenzeitlich von den Wachauern unter Vertrag genommen: „Ich habe gespürt, daß mich diese Mannschaft braucht. Es ist, als wäre ein Platz in ihr für mich reserviert gewesen.“ Vergangenheit. Die Realität nach dem Jenaer 0:5 fordert nüchternes Überdenken der Situation. „Doch wie auch immer: Den Erfolg im eigenen Land kann und wird uns deshalb niemand streitig machen können.“ Gleich zu Beginn seiner Trainerkarriere ins internationale Fegefeuer geschickt, reagierte Karl Daxbacher richtig und in der für ihn typischen freundlichen Art. Was soll’s!

Besagter Hans Krankl trat die Reise nicht mit an. Grund: eine Sehnenverletzung. Was wäre gewesen, wenn? Um noch einmal Daxbacher zu zitieren: „Natürlich fehlte uns ein Routinier, der wie Krankl die Bälle zu sichern und dann auch urplötzlich aus allen Lagen heraus auf das gegnerische Tor zu schießen versteht. Aber ich gehe andererseits auch davon aus, daß er Jenas Nachpausen-Steigerung von der Kraft her ebenso zum Opfer gefallen wäre wie alle anderen auch.“ Doch der Kremser SC lebt mit der festen Gewißheit, ihn bei der Revanche aufbieten zu können. Das wird den ÖFB-Cupgewinner im Mut bestärken. Er ist sich, seinen treuen Fans eine Selbstbestätigung am 5. Oktober schuldig.

Der FC Carl Zeiss wird’s im Hinterkopf behalten…

D. B.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 37/1988

1. Runde Rückspiel 05.10.1988
Kremser SC1:0 (1:0)FC Carl Zeiss Jena
Thomas KronsteinerPerry Bräutigam
Slobodan BatričevićHeiko Peschke
Günther GrundnerMichael Stolz
Franz MiesbauerThomas Ludwig
Hannes Neumayer 75' Otto HauptmannJens-Uwe Penzel
Erwin HöldJürgen Raab
Peter NetuschillMario Röser
Andreas StudenyStefan Böger 69' Oliver Merkel
Thomas Janeschitz 67' Horst BaumgartnerStefan Meixner
Nedeljko MilosavljevićRalf Sträßer
Ronald OttoHeiko Weber 78' Henry Lesser
Trainer: Karl DaxbacherTrainer: Lothar Kurbjuweit
Schiedsrichter:Pierluigi Magni (Italien) - Frigerio, Guidi (beide Italien)
Zuschauer:2.500 im Sepp-Doll-Stadion in Krems
Tore:1:0 Andreas Studeny (27.).
Leistung des SchiedsrichtersAufmerksame Zusammenarbeit zwischen den Männern aus dem Land des WM-Endrundenturniers '90. Magni bewies gutes Positionsspiel, war mit klaren Entscheidungen stets auf Ballhöhe anzutreffen. Wirkte ruhig und doch respekteinflößend.
Statistik:Torschüsse: 12:9 (56); verschuldete Freistöße: 20:23 (12:15); Eckbälle: 2:5(1:4); Chancen : 4:3 (2:3); Abseits: 3:2 (1:1); Verwarnungen: keine; Wetter: Leicht bewölkt, relativ warm und nahezu windstill.
Spielbericht
Vom 5:0 Kanter zur 0:1 – Niederlage

Unnötiger Profilverlust
Von Dieter Buchspieß
Leistungs- und Ergebnisdifferenzen dieser Art stimmen in höchstem Maße nachdenklich: 5:0 in Jena, 0:1 in Krems! Sie erschüttern zugleich das eigene Image. Schade, daß der Jenaer Klub und derzeitige Oberliga-Tabellendritte dieses Risiko einging.

Reaktionen dieser Art aus dem Lager des begreiflicherweise überglücklichen Siegers blieben dann auch nicht aus.,, Wir haben uns in höchstem Maße ehrenvoll verabschiedet, hätten bei einer günstigeren Ausgangsposition vielleicht noch mehr Druck entwickelt“, so SC-Trainer Karl Daxbacher. Erwin Höld, einer der zahlreichen Mittelfeld-Fleißspieler der Kremser: „Eine vorbildliche Partie unserer Mannschaft. Jena besaß nicht den Funken einer Erfolgschance und vermochte zumindest an diesem Tag nicht zu widerlegen, daß sich der Stil vorrangig auf über- durchschnittlichen athletischen Eigenschaften aufbaut.“

Das alles muß dem FC Carl Zeiss im nachhinein bitter aufstoßen!

Enttäuschend vor allem dies aus unserer Sicht: Jena negierte alle im ersten Vergleich gesammelten Erfahrungswerte dahingehend, die Österreicher mit den eigenen Vorzügen individueller Überlegenheit, größerer Schnelligkeit und Antrittsschärfe aus der zweiten Reihe heraus sowie den kompakteren Mitteln im Zweikampf selbst- bewußt zu bespielen. So, wie andeutungsweise in den ersten 20 Minuten, in denen der Bewegungsrhythmus stimmte, die Abwehr des Gegners über- und hinterlaufen wurde (Raab, Weber, Böger), sich bei einem von Kronsteiner parierten Kopfball des Jenaer Kapitäns auch die Chance zum 1:0 bot. Aber mit dem Überraschungs-1:0 von Studeny gegen den beim 20-Meterschuß (Aufsetzer) vergeblich die Arme hochreißenden Bräutigam war von all diesen guten Vorsätzen urplötzlich nicht mehr das geringste zu spüren. Keiner begriff es. Auch FCC-Trainer Lothar Kurbjuweit nicht, der unmittelbare Eindrücke aus der Enttäuschung heraus wie folgt formulierte: „Eine Niederlage stand für uns hier in Krems überhaupt nicht zur Diskussion. Für das eigene konstruktive Spiel taten wir mit fortschreitender Zeit jedoch viel zu wenig.“ Das war es, was einen so faden Geschmack am

Ende hinterließ! Entscheidend aufgewertet durch gegnerische Inaktivität und relativ leichtfertige Preisgabe der im Mittelfeld von Jena zunächst gesetzten Schwerpunkte, wurde der österreichische Cupsieger in seiner gesamten Spielweise mit dem Führungstreffer im Rücken immer mutiger, angriffsfreudiger und variabler in den teilweise recht geschickt inszenierten Kombinationen. Mit relativ einfachen und taktisch normalerweise ausrechenbaren Aktionen löste er oft genug Verwirrung in der Jenaer Abwehrorganisation aus. Unverständlich! Denn anstatt den sich aus fast allen Positionen drängenden Kontrahenten schon im Mittelfeld zu stellen, dort seine Schaltstationen wie Neumayer, Höld oder Netuschill wirkungsvoll zu bekämpfen, igelte sich der Klub vor dem eigenen Strafraum phasenweise regelrecht ein. Sicheres, überlegtes Freispielen aus Drucksituationen, das resolute Nutzen der Freiräume in der gegnerischen Hälfte zählte im weiteren Verlauf nicht mehr zu den erfolgversprechenden Waffen Jenas. Blick und Strategie dafür, das Gesetz des Handelns irgendwann einmal wieder zu ergreifen, fehlten an diesem Tag.

Positiv erwähnenswertes hatte der Jenaer Klub bei nur einem einzigen (!) aus dem Spielfluß heraus zu registrierenden Torschuß in den 45 Minuten nach Wiederbeginn nicht zu bieten. Die mit Lessers Einwechslung verbundene Belebung vermochte am Fazit nichts zu ändern: Jena übte sich in spielerischer Bescheidenheit, die unter eigenem Format, unter eigener Würde lag! Und es verbietet sich wohl auch, von einem in dieser Partie unangetasteten Selbstbehauptungswillen zu sprechen. Dazu hat der Klub, un- geachtet seines schließlich nicht zu erschütternden Vorstoßes in die Runde der letzten 16, keinerlei Veranlassung.

Um so mehr jedoch guten Grund, sich gegen einen Stärkeren in den nächsten Wochen zu korrigieren und zu bestätigen.

Reifen nach den Reben auch Kremser Aufstiegshoffnungen?

Das erste und für nicht absehbare Zeit sicherlich auch einzige EC-Spiel im heimischen Kremser Stadion sollte eigentlich Volksfest-Charakter tragen. Jena verdarb dem derzeitigen Tabellenführer der zweithöchsten Leistungsklasse mit dem 5:0 im Ernst-Abbe-Sportfeld jedoch dafür die Stimmung. ,,Ganz gewiß wären es bei einem vertretbaren Hinspiel-Resultat annähernd 10 000 Zuschauer gewesen. Schade, mit knapp 2 500 zahlenden Besuchern blieb der erhoffte und fest eingeplante finanzielle Gewinn aus“, so Vorstandsmitglied Christian Dietz. Von Europacup-Atmosphäre unter den Lichtbündeln der am Freitag vor dem Spiel eingeweihten Flutlichtanlage also weit und breit keine Spur. Ob’s Jena im negativen Sinne beeinflußte? Erklärtes Ziel der Wachauer war es von vornherein allerdings nicht, beim EC-Einstand über die erste Runde zu kommen. Schon gar nicht, wie Trainer Karl Daxbacher am Abend nach der Partie frei- mütig gestand, gegen einen Spitzenklub aus der DDR, einen vor allem in physischer Hinsicht eindeutig überlegenen Kontrahenten“. Und so werden die Kremser ihr Ausscheiden unbeeindruckt wegstecken und über die Zwischenstation Play-off-Runde die Zugehörigkeit zur I. Division mit Beginn der Saison 89/90 anstreben. Im nur 30 Kilometer entfernt gelegenen St. Pölten zeigt sich derzeit, was außerhalb der großen, traditionsreichen Fußballzentren wie Wien, Linz, Graz oder Innsbruck möglich ist. Daran orientieren wir uns, ohne freilich schon jetzt über jene Substanz zu verfügen wie der sensationell in die Spitze aufgestiegene „Nachbar“, merkte Daxbacher mit einem Blick voraus an. Die unter Umständen wichtigste Trumpfkarte seiner Schützlinge: sechs Siege in den bisher ausgetragenen Heimspielen bei 21:3 Toren. Auch Jena bekam die Steigerungsfähigkeit der Elf in vertrauter Umgebung zu spüren.

Was passiert, wenn? Nachdem der Vertrag mit Krankl letzte Woche kurzfristig und für viele überraschend gelöst wurde, sich die „Galionsfigur des österreichischen Fußballs“ derzeit bei exponierten europäischen Klubs wie FC Barcelona und Internazionale Mailand auf eine neue Aufgabe als Trainer (natürlich bei Rapid Wien!) vorbereitet, bleibt die Suche nach einem Routinier annähernd gleichen Formats weiter auf der Tagesordnung. Zumal inzwischen auch Drabek nach einer Kontroverse mit Daxbacher Hals über Kopf den Kremser. SC verließ und um seinen sofortigen Transfer zu einem hauptstädtischen Klub ersucht hat. Ungeachtet dessen blieb die Mannschaft „stabil“ und nervlich intakt. Das kann Daxbachers Schützlingen nur bestätigt werden.

In der Wachau um ihr Zentrum Krems herum erhofft man weiterhin einen sonnigen Spätherbst, damit die Trauben voll ausreifen. Ob es auch auf die Fußballer des Sportklubs zutrifft, wird sich zeigen.

D. B.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 41/1988

Achtelfinale, Hinspiel 26.10.1988
FC Carl Zeiss Jena1:1 (1:0)Sampdoria Genua
Perry BräutigamGianluca Pagliuca
Thomas LudwigAmedeo Carboni
Jens-Uwe PenzelMarco Lanna 89' Fulvio Bonomi
Heiko PeschkeMoreno Mannini
Michael StolzPietro Vierchowod
Stefan Böger GKGiuseppe Dossena
Jürgen Raab 73' Henry LesserFausto Pari
Mario RöserToninho Cerezo
Steffen Zipfel 80' Mathias PittelkowVíctor Muñoz
Ralf SträßerRoberto Mancini
Heiko WeberGianluca Vialli GK
Trainer: Lothar KurbjuweitTrainer: Narciso Pezzotti
Schiedsrichter:Bo Karlsson - Klenkovski, Helen (alle Schweden)
Zuschauer:13.500 auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena
Tore:1:0 Heiko Weber (38.), 1:1 Gianluca Vialli (81. / Elfmeter).
Leistung des SchiedsrichtersBeide Mannschaften respektierten die großzügige Spielleitung des Referees mit einer bis weit in die 2. Halbzeit hinein untadeligen Fairneß. Vorteilsauslegung war dann jedoch fehl am Platz, als einige Italiener den Einsatz im Zweikampf überspitzten, zudem im Rücken Karlssons unbeherrscht reagierten. Da blieben die beiden Linienrichter ganz einfach zu inaktiv. Keine Debatte über den zum 1:1 führenden Foulstrafstoß. Nur soviel: Peschkes Aktion gegen Dossena (Bein stehenlassen) war im höchsten Maße ungelenk und deshalb auch vermeidbar.
Statistik:Torschüsse: 8:11 (4:6); verschuldete Freistöße: 14:15 (6:6); Eckbälle: 2:3 (1:2); Chancen: 2:5 (1:2); Abseits: 2:4 (1:1); Verwarnungen: Böger (wegen Festhaltens), Vialli (wegen Tretens); Wetter: bewölkt und windig, aber trocken.
Spielbericht
Genua ein erstklassiger Gegner, doch:

Ungebrochener Angriffsmut
Von Dieter Buchspieß
Atemlose Stille im weiten Rund: Sollte der Anfang gleichbedeutend mit einem frühzeitigen Ende sein? Im Stil von 100-Meter-Sprintern mit dem Ball am Fuß durch die Zeiss-Abwehr ziehend, hatten der aus der Libero-Position drängende Vierchowod sowie der listige, auch danach noch oft im Rücken der Abwehr auftauchende Dossena schon in den ersten drei (!) Minuten zwei faustdicke Chancen vor ihren Füßen. Zum Glück für Jena reagierte jener Mann, der auch später bei ähnlichen überfallartigen Attacken sein Format im instinktsicheren Lösen von der Linie bewies, ohne Fehl und Tadel: Perry Bräutigam. Doch weit gefehlt, der Gastgeber würde sich schrecken, ins Bockshorn jagen lassen. Er nahm, wie es Klubvorsitzender Wolfgang Blochwitz ausdrückte, die Herausforderung an, einen vor Selbstbewußtsein förmlich strotzenden Kontrahenten zu bespielen und zu bekämpfen“.

Über Klasse, sprich Homogenität und individuelle Ausstrahlungskraft, des mit neun Nationalspielern besetzten Gegners von vornherein absolut im klaren, schöpfte der FCC schnell Mut und Siegeszuversicht. Er spürte dabei jedoch stets die Faust im Nacken. Denn: Mut zum Risiko in der Angriffsgestaltung mußte jederzeit mit der Erkenntnis übereinstimmen, daß Spieler wie Vialli, Mancini, der auch nach 90 Minuten noch nicht um Luft ringende Victor oder Carboni in der Rolle des ständigen Tempoläufers über die linke Seite nur darauf lauerten, gleich Speerspitzen in entblößte Räume vorzuprellen und dort tödliche Gefahr zu schaffen. Das hieß für die Zeiss-Städter, wie es Trainer Lothar Kurbjuweit später präzisierte, den beiden Spitzen keinen Millimeter Entfaltung zu lassen, sie gewissenhaft abzusichern, gegnerische Überlegenheit in der durchgehend demonstrierten Antrittsschärfe und Geschmeidigkeit nicht entscheidend zum Tragen kommen zu lassen“. Jena machte diese Gedankengänge ungeachtet aller erst allmählich zu lösenden Probleme in der taktischen Verhaltensweise schließlich zum Gesetz eigenen Handelns. Mit Fighterqualitäten, unerschrockenem Einsatz und einem bemerkenswert hohen Maß an Mut, das Deckungskonzept bei Ballbesitz aufzulockern, möglichst viele Akteure in den Angriffsrhythmus einzubeziehen, als tragenden Säulen. Und Schwerpunktbildungen auf beiden Flanken (Böger/Stolz sowie Raab/Penzel) gehörten zum erfolgversprechenden Repertoire.

„So war“, wie auch Roland Ducke als EC-erfahrener Spieler der Zeiss-Städter mit insgesamt 23 Einsätzen und drei Treffern schon zur Halbzeit anerkannte „das 1:0 durch Weber Verdienst einer lang anhaltenden Druckphase, in der Genua nur noch sporadisch Konterattacken inszenieren konnte“. Auch und vor allem deshalb, um es an dieser Stelle gebührend herauszustreichen, weil Röser und Ludwig die Klasse ihrer unmittelbaren Gegenspieler Mancini und Vialli mit respekteinflößender Schärfe und Konsequenz ohne jegliche Fouls total ignorierten, sie regelrecht in die Schranken wiesen.

Hier traten in der Abstimmung keinerlei ernst zu nehmende Probleme auf, doch im Mittelfeld war Sampdoria dank hervorragender Aufgabenteilung zwischen Fleißspielern wie Victor und Pari sowie Akteuren mit zündenden Ideen (Dossena, Cerezo) auf die Dauer nicht einzugrenzen. Diese Trumpfkarten stachen, wenngleich der nur durch Strafstoß-Verwandlung erzielte Ausgleich ganz offensichtlich unter der Würde der Mannschaft lag. Sie hatte sich mehr erhofft, wie Trainer Vujadin Boskov bekannte und zwei Gründe dafür ins Feld führte: „Die hohe Moral des auch physisch nicht zu schwächenden Gegners, zum anderen eigene Unzulänglichkeiten beim Spiel in die Tiefe.“ Wobei, was vertane Chancen anbelangt, Dossena am meisten sündigte.

Bis zur letzten Minute vom festen Vorsatz beseelt „keine Sorglosigkeiten zuzulassen, die von den cleveren Spielern Genuas sofort gewittert und bestraft werden“, wie Verbandstrainer Harald Irmscher konstatierte, versuchte die Elf den allmählichen Leistungsschwund auf der einen oder anderen Position (Weber, Sträßer, Stolz) immer wieder zu kompensieren. Daß Durchschlagskraft, Spielsicherheit darunter litten, lag auf der Hand. Aber den FC Carl Zeiss entmutigte das nicht.

Taktisch variabel – ein Zeichen für Spitzenklasse

Exaktes Studium gegnerischer Stärken und Schwächen (die allerdings kaum spürbar wurden!) vorausgesetzt, sah sich Zeiss-Trainer Lothar Kurbjuweit dennoch in der ersten Phase dieser mit bedrohlichen Momenten angehäuften Partie für seine Elf taktisch in die Enge getrieben. Wie kam es dazu? „Wir hatten Sampdoria in der Grundformation ganz anders erwartet, mußten uns demzufolge auf den einzelnen Positionen erst allmählich festigen.“ Beispiele dafür: Zuletzt im Zentrum der Deckung aufgeboten, wurde Cerezo diesmal die Aufgabe übertragen, aus der Tiefe des Mittelfeldes weite Diagonalpässe auf die beiden Stoßstürmer zu schlagen. Folgerichtig rückte Zipfel, sein Widerpart, immer wieder aus der engeren Abwehr heraus, um ihn zu stellen, zumindest aber frühzeitig zu stören. Oder aber: Carboni spielte auf der linken Flanke einen offensiven Part allererster Güte. Bevor sich Böger damit vertraut machen und darauf einstellen konnte, hatte der in den ersten zehn Minuten viermal (!) unwiderstehlich nach vorn stoßende Abwehrspieler bereits für genügend Schrecksekunden gesorgt.

Das eben macht die Stärke einer Mannschaft vom zweifellos über dem Schnitt liegenden Format Sampdorias aus: Ihr bieten sich genügend Variationsmöglichkeiten mit daraus resultierenden Überraschungseffekten für jeden Kontrahenten. Davon ausgehend, ließ Trainer Vujadin Boskov mit Salsano sogar einen sonstigen Schlüsselspieler auf der Bank der Reservisten. Wer es sich leisten kann! Da sind unsere Vertreter eben ganz eindeutig in der Hinterhand.

Nichts gewonnen, doch deshalb auch noch nichts verloren! An dieser Devise wird der FC Carl Zeiss bis zum Rückspiel am 9. November im Stadion „Luigi Ferraris“ auf jeden Fall erst einmal festhalten und dann bestrebt sein, aus besten Vorsätzen das Beste zu machen. Vor welche andersgearteten taktischen Rätsel ihn dann die Italiener stellen, muß sich zeigen. „Wir rechnen mit 50 000 Zuschauern, die dann bedingungslos hinter uns stehen“, so noch einmal der jugoslawische Coach Sampdorias. Gelassenheit dabei zur Schau tragend wie alle Spieler seiner Elf. Schließlich gab es ja in den bisherigen fünf EC-Heimspielen bei fünf Siegen noch kein einziges Gegentor (6:0).

Wer da mit weichen Knien antritt, ist von vornherein rettungslos verloren …

D. B.

Trainer Lothar Kurbjuweit (FC Carl Zeiss Jena):

Ein Sieg über Genua wäre für uns ein Traumresultat gewesen, und so weit davon entfernt befanden wir uns ja eigentlich auch gar nicht. Der von Vialli verwandelte Foulstrafstoß nach ungeschickter und deshalb auch vermeidbarer Attacke von Peschke gegen Dossena verändert die Konstellation für die Zweitauflage natürlich grundlegend. Dennoch ist nichts Außergewöhnliches passiert, denn der Favorit unterstrich seine internationale Klasse mit einer spielerisch überzeugenden Leistung. Konnten wir seine gefürchteten Spitzen Vialli und Mancini durch Röser und Ludwig als in jeder Situation sehr zuverlässige Manndecker weitestgehend neutralisieren, so war doch nicht zu vermeiden, daß Sampdoria aus dem Mittelfeld Impulse setzte. Individuell war der Gegner stärker besetzt. Ihm dennoch getrotzt zu haben, verdient deshalb Respekt.

Achtelfinale, Rückspiel 09.11.1988
Sampdoria Genua3:1 (2:0)FC Carl Zeiss Jena
Gianluca PagliucaPerry Bräutigam
Moreno ManniniThomas Ludwig
Luca PellegriniJens-Uwe Penzel
Pietro VierchowodMichael Stolz
Fulvio BonomiStefan Böger
Giuseppe DossenaMathias Pittelkow
Fausto PariJürgen Raab
Toninho CerezoMario Röser
Víctor MuñozHenry Lesser 80' Oliver Merkel
Roberto ManciniRalf Sträßer
Gianluca VialliHeiko Weber
Trainer: Narciso PezzottiTrainer: Lothar Kurbjuweit
Schiedsrichter:Bob Valentine - Gillary, Dallas (alle Schottland)
Zuschauer:16.714 im Luigi Ferraris in Genova
Tore:1:0 Pietro Vierchowod (25.), 2:0 Toninho Cerezo (43.), 3:0 Gianluca Vialli (53.), 3:1 Jürgen Raab (59.).
Leistung des SchiedsrichtersProblemlose Spielleitung für ein in jeder Hinsicht souverän und abgeklärt wirken-des Kollektiv. Der erfahrene FIFA-Referee besaß Blick für Vorteilsauslegung und für korrekten, einwandfreien Oberkörpereinsatz. Stets auf Ballhöhe.
Statistik:Torschüsse: 17:4 (12:2); verschuldete Freistöße: 15:18 (6:9); Eckbälle: 3:1 (1:1); Chancen: 9:2 (6:0); Abseits: 5:1 (3:1); Verwarnungen: keine; Wetter: trocken und etwas diesig, angenehme Temperatur von etwa 12 Grad.
Spielbericht
Genuas spielentscheidende Vorzüge:

Aus Rückräumen „explodiert“!
Von Dieter Buchspieß
Welche neuen Aspekte sind dieser Partie mit respektvollem Abstand abzugewinnen?

Von Sampdoria-Trainer Vujadin Boskov als freundlichem Dolmetscher assistiert, meinte Torschütze und zweifacher Tore-Vorbereiter Gianluca Vialli dies: „In Jena besaßen wir bereits innerhalb der ersten fünf Minuten todsichere Chancen zu zwei Treffern. Ich hatte den Eindruck, daß der Gegner in der Abwehr diesmal über wesentlich längere Zeit geschlossener operierte.“ Dann allerdings auch dieser Zusatz: „Zweifel, ihn erfolgreich bespielen zu können, traten allerdings niemals auf.“.

Ein anderer Gesichtspunkt: Als die Sampdoria-Profis gut eine Stunde vor Spielbeginn das Stadion betraten, strotzten sie förmlich vor Selbstbewußtsein. Eigentlich nur gut, daß es die bereits in ihrer Kabine weilenden und dort noch einmal von Trainer Lothar Kurbjuweit mit dem letzten taktischen Schliff versehenen Jenaer Akteure nicht selbst erlebten. Möglicherweise wäre ihnen sonst das Herz schon weit vor dem Anpfiff in die Hosen gerutscht..

Die eigene Leistung gegen zweifellos schwächere, nicht unbedingt standesgemäße Kontrahenten aufzuwerten und ins rechte Licht zu rücken, verstand Vujadin Boskov gegenüber der einheimischen Journalistenschar in psychologisch meisterhafter Art. Wörtlich: „Es war ein Superspiel meiner Elf ohne jegliche Einschränkung.“ Anzeichen von Nervosität in der Startphase übersah er dabei geflissentlich.

Vielleicht müssen Trainer so sein wie er… Welche positiven Aspekte aus Jenaer Warte sind diesem 1:3, dem erwarteten und daher auch durchaus normalen Ausscheiden abzugewinnen?

Der Mut, gegen zuhalten, sich nicht gleich in den ersten Minuten total ausspielen zu lassen? Auf jeden Fall! Begünstigt auch durch Fehler, die einer Elf von eben jener Klasse wie Genua nicht unbedingt gut zu Gesicht standen. Von Zeiss-Trainer Lothar Kurbjuweit auf diesen Nenner gebracht: „Mancher Paß in die Tiefe war mit Ballverlust verbunden.“ Absolute Selbstsicherheit zur Schau tragend, benötigten die Italiener also eine gewisse Zeit des Anlaufs, um sie dann auch im Spiel zu demonstrieren. Bis hin zu einer in allen Belangen überzeugenden, kompakten spielerischen Selbstdarstellung.

Kurzkommentar im Corriere della Campania“: „Jena spielte brav, tapfer, mit unnachgiebigem Elan auch dann, als alles bereits rettungslos verloren war. Das muß wohl so sein, wenn sich die spielerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten so deutlich abgrenzen wie in dieser Partie.“ Damit muß der Unterlegene leben – ob er will oder nicht! Er hielt an seinem taktischen Konzept fest, gegnerische Kreise einzugrenzen, individueller Überlegenheit wenigstens hin und wieder achtunggebietende Stoppzeichen zu setzen, sich in der Kampf- und Laufbereitschaft bis zum allerletzten zu engagieren. Aber er weiß im nachhinein ebenso gut, daß es nicht ausreicht, um Gegner dieses Formats zu schrecken. Das Deprimierendste an Jenas Spielweise: Kaum ein Paß erreichte den Mitspieler.

Da trennten Sieger und Besiegten eben Welten! Was sonst noch vielleicht für den Jenaer Klub sprach? Fairneß, jederzeit korrekter Einsatz im Wissen um Unterlegenheit in der Antrittsschärfe, Beweglichkeit, Zweikampfverträglichkeit, im Fintieren, damit in der kollektiven Ausgewogenheit schlechthin. Jena vor immer wieder neue, kaum lösbare taktische Varianten zu stellen, war dem angemessen. Wie es aussah? Rechts wie links ausbrechend, schufen Vialli, Mancini ständig Lücken für die aus den Rückräumen kommenden Akteure“, so Torhüter Perry Bräutigam. Aus dem freien (!) Zentrum fiel die Entscheidung zugunsten Genuas durch Vierchowod, Cerezo und Vialli.

Vom Bauplatz zu einem anspruchsvollen Stadion

Der Fachmann staunt, und der Laie wundert sich: In knapp einem Jahr soll das Estadio Luigi Ferraris“ von Genua WM-trächtiges Format besitzen? Sampdoria-Präsident Paolo Mantovani nimmt den gegenwärtigen „Zeitverzug bei den Ausbauarbeiten“ gelassen hin. Noch! „Die Abnahme durch Vertreter des italienischen Fußball-Verbandes und des Organisationskomitees der Weltmeisterschaft erfolgt Anfang Dezember 1989. Dann muß alles klappen.“ Was darunter zu verstehen ist, erfahren wir von Stadionchef Norberto Sabatelli. Erweiterung der gegenwärtigen Sitzplatz-Kapazität von 22 000 auf das Doppelte, Errichtung einer neuen Flutlichtanlage von rund 2 000 Lux Stärke, Parkplatzmöglichkeiten im unmittelbaren Bereich der Anlage.

Von den vielen kleinen Details ganz zu schweigen. Schon jetzt, so der Verwalter des Objektes mitten im Zentrum der Stadt, sei jedoch absehbar, daß die dafür veranschlagte Summe von 55 Milliarden Lire wohl kaum ausreichen werde. Das aus unserer Sicht gewaltigste Vorhaben: Der städtische Kanal nur wenige Meter davon entfernt, der eigentlich nur in Regenperioden seinen Zweck erfüllt und das Wasser in den Golf abfließen läßt, wird ausgetrocknet, aus zementiert. Nur so kann der Verkehr in den hoffnungslos verstopften Straßen entlastet werden, die hin zur Heimstatt Sampdorias führen.

ITALIA 90 wirft also auch in der Stadt des italienischen Pokalverteidigers und Meisterschafts-Mitfavoriten schon jetzt seine Schatten voraus. Und am Ende der ersten Etappe wird sich ein neues, supermodernes Stadion präsentieren: total überdacht mit denkbar besten Sicht- (für die Zuschauer) und Arbeitsmöglichkeiten (für die Journalisten). Und für die Spieler? „Hallen zum Warmmachen dieses Ausmaßes im Innenraum habe ich bisher noch nicht gesehen“, so anerkennend Zeiss-Kapitän Jürgen Raab.

WM-Vorstartatmosphäre! ,,Bis 1990″, um noch einmal den Präsidenten zu zitieren, soll Sampdoria ein Machtfaktor im Fußball unseres Landes und damit auch in der Squadra Azzurra sein. Und ich bin sicher, daß wir der starken, jahrelang schier übermächtigen Konkurrenz aus Neapel, Turin und Mailand sehr bald den Rang ablaufen können.“ Eine Kampfansage? Sie ist längst erfolgt. Die Zeiten liegen hinter uns, in denen wir von den Großen etwas mitleidig belächelt wurden. Jetzt sind wir an der Reihe.“ Gianluca Vialli, dessen Vertrag bei Genua über die WM bis 1991 läuft, ist einer von vielen Garanten dafür. Auch wenn die erste große Kraftprobe bei Inter mit 0:1 in der Vorwoche verlorenging – Sampdoria erwarb sich, so wörtlich in Gazetto dello Sport“, als die am schnellsten spielende Elf der italienischen Liga erneut viele Sympathien“.

Vielleicht ein kleines Trostpflaster für den FC Carl Zeiss …

D. B.

Trainer Lothar Kurbjuweit (FC Carl Zeiss Jena):

Das Resultat bewegt sich in vertretbaren Grenzen. Nicht in einer Torflut unterzugehen, wie hier und da viel- leicht befürchtet worden war, entsprach unserem Hauptanliegen. Wenn ich nach dieser Niederlage dennoch ins Nachdenken verfiel, dann aus folgendem Grund: Teilweise waren die individuellen Leistungs-unterschiede gravierend. Mit von vornherein begrenzten technischen Fertigkeiten gegenüber den in die- Hinsicht hochkarätigen Gastgebern mußten wir uns abfinden. Daraus resultierten Ballverluste, die wir auch mit Kampf, Einsatz und Laufbereitschaft nicht kompensieren konnten. Kompliment einem verdienten, großartigen Sieger!

EC III 1988/89 1. Runde

Der UEFA-Pokal 1988/89 war die 18. Ausgabe des von der UEFA veranstalteten Wettbewerbs und wurde von der SSC Neapel nach zwei Finalspielen gegen den VfB Stuttgart gewonnen.

Weitere Teilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland waren Titelverteidiger Bayer 04 Leverkusen, der FC Bayern München, der 1. FC Köln und der 1. FC Nürnberg. Die DDR entsandte 1. FC Lokomotive Leipzig und Dynamo Dresden. Aus Österreich waren SK Sturm Graz, First Vienna FC und FK Austria Wien im Wettbewerb vertreten, aus der Schweiz spielten FC Aarau und Servette Genf. Titelverteidiger Bayer Leverkusen schied bereits in der ersten Runde nach zwei Niederlagen (0:1 H, 0:1 A) gegen Belenenses Lissabon aus.

Nach der Katastrophe von Heysel 1985 wurden englische Mannschaften für eine Teilnahme am Wettbewerb gesperrt.

1. Runde, am 07.09.1988 Hinspiel
FC Aarau0:3 (0:0)1. FC Lokomotive Leipzig
Roberto BöckliRené Müller
Bernd KilianFrank Baum GK
Rolf OsterwalderTorsten Kracht
Thomas TschuppertMatthias Lindner
Alfred Herberth 71' Samuel Opoku NtiUwe Bredow
Urs Kühni 74' Rene BarthMatthias Liebers
André MeierHeiko Scholz
Hansruedi SchärDamian Halata
René van der GijpBernd Hobsch 82' Dieter Kühn
Adrian KnupHans-Jörg Leitzke GK
Christian MattheyOlaf Marschall
Trainer: Hubert KostkaTrainer: Hans-Ulrich Thomale
Schiedsrichter:Alain Delmer (Frankreich) - Hirtz, Robic (beide Frankreich)
Zuschauer:6.500 auf dem Brügglifeld in Aarau
Tore:0:1, 0:2 Bernd Hobsch (67., 81.), 0:3 Olaf Marschall (85.).
Leistung des SchiedsrichtersDer 44jährige FIFA-Referee aus Orchies leitete einfühlsam, einen Schuß zu penibel bei Oberkörperhärte vor den Strafräumen. Unterbrach mehrfach den Vorteil, beiderseits, konnte sich Abseitsentscheidungen seiner Linienrichter nicht immer sicher sein. ÖFB-UEFA-Beobachter Dr. Bauer (Salzburg) beurteilte Del- mers Partie „für den Europacup adäquat, korrekt und regelsicher".
Statistik:Torschüsse: 12: 11 (6: 5); verschuldete Freistöße: 23: 27 (15: 14); Eckbälle 7:4 (2:3); Chancen: 8: 6 (62); Abseits: 1:7 (0:3); Verwarnungen: Leitzke, Baum (beide wegen Foulspiels); Wetter: warm, fast windstill, ideal.
Spielbericht
Aaraus Furcht bestätigt:

Die Fitneß triumphierte
Von Günter Simon
In der Schweizer Nationalliga A proben die Kleinen den Aufstand. Luzern, Bellinzona, Aarau vor den Topfavoriten aus Genf, Neuchatel, Bern in der Spitze! ,,Das legt psychologisch enorme Kräfte frei, auch für den UEFA-Cup“, wies FCA-Sportchef Walter Seiler (einst Mittelstürmer der Aargauer) auf die Orientierung der Gastgeber hin. Kernig, markig, aggressiv, nach dem Muster „Hop Schwyz – Hop Aarau“ der – Mentalitätsaufbruch galt dem erhofften ersten EC-Sieg (’85 0:2 und 2:2 gegen Roter Stern Belgrad)!

Ohne Zweifel: die Nordschweizer Rothemden taten alles dafür. Ihr Kampfgeist war enorm“ so der noch nicht einsatzfähige Däne Lars Lunde. Mattheys Lattenkopfball (2.) heizte an. Fortan tobten sich die Schweizer über Herberth, van der Gijp, Kilian, Matthey und Knup hemmungslos in der Offensive aus. Schnörkellos, gradlinig, über die Flügel (Knup!) und im Zentrum. Wir brachten, was wir können. Auch an Chancen mangelte es nicht. Um so brutaler war das Ende.“ Trainer Hubert Kostka verstand die (Fußball-) Welt nicht mehr.

„That’s football“, helfen sich da die Engländer und haben seine Unberechenbarkeit im Sinn. ,,Natürlich wurden wir unter Wert geschlagen, aber am Ende zählt nur das Ergebnis. Und das ist für uns katastrophal“, so Präsident Dr. Peter Treyer, nachts zuvor 3:0-Sieg-Träumer, nach dem 0:3 zwischen Himmel und Hölle wieder mit juristischer Gedankenklarheit versehen. „Mit drei Beinen draußen aus dem Europacup“, hielt auch der Schlagzeiler des „, Aarauer Tagblatts“ nichts von Gefühlsduselei.

In Aarau fürchtete man schon vor Beginn die Fitneß der Leipziger. Journalistischer „Blick“- Schwachsinn kanzelte die Gäste gar als „Steinzeit-Kicker“ ab. So hätten sie es gern. Wer jedoch die Fitneß bei anderen fürchtet, muß doch Grund (oder Besorgnis?) dafür haben? Gewiß, die ersten 45 Minuten stellten für Lok eine gefährliche Gratwanderung dar. Da harmonierte nicht viel, Fehlpässe störten den Rhythmus. Doch die Abwehrstabilität verdiente Höchstnotierungen an der Schweizer Börse. „Vor einem Weltklassetormann wie Müller läßt sich natürlich locker und selbstbewußt spielen“, urteilte der FCA-Kapitän Rolf Osterwalder. Baum, Lindner und Bredow stumpften Aaraus Spitzen sowie Herberth und Kilian ab. Liebers wehrte auf der Linie den Scharfschuß des Ghanesen Nti ab (83.). Und weil Insidern nicht erklärt werden muß, daß körperliche Fitneß die Basis für 90 Minuten Tempofußball ist (nicht nur für 70), begann die (Fußball-) Logik zu triumphieren. Teil 1 („Aus einer stabilen Abwehr heraus spielt eine Mannschaft Erfolgsfußball“, so der Leipziger Altmeistertrainer Alfred Kunze) hatte Lok bewältigt. Teil 2 nahm seinen Lauf, „als uns Aarau nach dem Kräfteverschleiß die offenen Räume für Konter anbot, unsere läuferischen Vorteile offensichtlich wurden“, resümierte Hans-Ulrich Thomale. Sichtlich erleichtert und zufrieden. Freigekämpft und freigespielt – damit fuhren die Probstheidaer goldrichtig!

„So eiskalt wurden wir selten abgeschossen“, konnte es FCA-Pressechef Patrick Strehse kaum fassen. Ich konnte es ihm nachfühlen. Denn als ob nichts einfacher wäre, fielen die Lok-Tore in schöner Regelmäßigkeit (aus 23 Chancen hatte es in vier Oberliga-Spielen schließlich nur für zwei Treffer gereicht). „Ich traf voll mit dem Spann“, freute sich Bernd Hobsch über sein erstes und über das 100. EC-Jubiläumstor der Blau-Gelben. Aller Ballast war von den Schultern. Scholz und Halata kurvten jetzt im Mittelfeld, der überragende Marschall und Hobsch legten die Aarauer Abwehr förmlich aufs Kreuz. Torwart Roberto Böckli sprach von „Schüssen zum Hinterherschauen“. Mittelfeldas Charly Herberth von „,unverdaulichen Schlägen, die einem den Nerv rauben“.

Der 3:0-Auswärtssieg (der 30. überhaupt im 74. EC-Spiel) ist ein Novum für die Leipziger. Er kann der Schlüssel für viele Tore sein…

Schweizer Schwüre schreckten nicht

Ihre letzten EC-Tore hatten die Leipziger am 4. März 1987 gegen den FC Sion beim 2:0 im Zentralstadion geschossen. Danach brach die Torarmut herein (Sion 0:0 im Rückspiel, Girondins Bordeaux 1:0, 0:1 und 6:5 Elfmeter, Ajax Amsterdam 0:1, Olympique Marseille 0:0, 0:1), wenngleich Lok im EC-II-Finale im Wiener Prater stand. Für Hunderte EC-Teilnehmer sind diese letzten 90 Minuten der unerfüllte Traum, Fata Morgana!

Schweizer Schwüre schreckten Lok schon ’87 nicht, als Sion-Trainer Jean-Claude Donzé von „einer lös- baren Aufgabe“ sprach. Und besser als Sion abzuschneiden“ (so FCA-Nationalspieler Thomas Tschuppert) ist für die Aargauer nach dem 0:3 so weit entfernt, wie der Schnee vom vorwöchigen „Kaiserwetter“ in der nordschweizerischen Kantonshauptstadt. „Wir kämpfen uns durch!“ René Müllers Devise galt für alle, und mochte der 1386er Schultheiß Niklaus Thut, einer der vielen historischen Schweizer Schlachten-bannerträger, als rundum mollige Denkmalsfigur auf dem „Gerechtigkeitsplatz“ in Zofingen, wo die Leipziger abgestiegen waren, auch mahnend für helvetischen Widerstandswillen und Patriotismus stehen.

Beim 1902 gegründeten FC Aarau ist Tradition für die Gegenwart verpflichtend. Nach dem ersten nachgewiesenen Spiel am 28. Juni 1902 mit 0:1 gegen Lenzburg folgten Aufstieg (1912 und 1914 Meister) und Fall (jahrzehntelanger B-Liga-Frust bis 1981), Wiederkommen und Nationalliga-A-Dasein (mit erstmaligem Cup-Sieg von 1985). Die „Freunde des FC Aarau“, eine Sponsorenvereinigung, der „Club 100″, alles Unternehmungen mit finanziellem Hintergrund, garantieren die Existenzfähigkeit des Klubs, um sich bei einem Zuschauerdurchschnitt von 9 300 als konkurrenzfähig erweisen zu können. Deshalb auch Voll- (fünf an der Zahl) und Halbprofis in einem 23köpfigen Aufgebot, mit dem der polnische Ex-Nationaltorwart Hubert Kostka (34 A-Spiele) als neuer Trainer noch tüchtig Konditionierung zu bewältigen hat. 12 Nachwuchsmannschaften von Kindern bis Junioren sind „Faustpfänder für die Zukunft, denn ständig neue Spielereinkäufe sind nichts für unser Budget“, erklärte Sportchef Walter Seiler.

Bei einem Blick auf die „Europapokal-Supertabelle“ tat sich im Brügglifeld nichts Ungewöhnliches: die Schweizer auf Platz 454 von 530 bisherigen EC-Startern erwiesen dem auf Rang 52 notierten 1. FC Lok eine Niederlagen-Reverenz. So weit, so gut, aber über Tabellen hinaus zählt allein die Tagesform. Liebers bestritt sein 40. EC-Spiel, Lok lief der erste Saisonsieg runter wie Öl, Aarau war Balsam für Optimismus und Selbstbewußtsein. Na bitte!

-gs-

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 37/1988

1. Runde, am 07.09.1988 Rückspiel
1. FC Lokomotive Leipzig4:0 (2:0)FC Aarau
René MüllerRoberto Böckli
André BaryllaRolf Osterwalder GK
Frank BaumHeinz Siegrist 46' Reto Rossi
Torsten KrachtDaniel Wyss
Matthias Lindner 46' Matthias LiebersAlfred Herberth
Uwe BredowAndré Meier
Heiko ScholzRené van der Gijp GK
Damian HalataThomas Wyss
Hans-Jörg Leitzke 70' Dieter KühnAdrian Knup
Olaf MarschallChristian Matthey
Matthias ZimmerlingSamuel Opoku Nti 70' Christian Wyss
Trainer: Hans-Ulrich ThomaleTrainer: Hubert Kostka
Schiedsrichter:Kaj Natri (Finnland) - Nikkanen, Järviö (beide Finnland)
Zuschauer:5.200 im Bruno-Plache-Stadion in Leipzig
Tore:1:0, 2:0 Matthias Zimmerling (21., 28. / Elfmeter), 3:0, 4:0 Damian Halata (59., 83.).
Leistung des SchiedsrichtersDer 40jährige aus Kouvola hatte leichtes Amtieren. Ihr halbstark-dreistes Provozieren hätten die beiden Gelbsünder" auch mit „Rot" büßen können. Gleich mehrfach Vorteile wegzupfeifen, paßte eigentlich nicht in das Bild des souveränen Referees aus Suomi.
Statistik:Torschüsse: 12:7 (5:5); verschuldete Freistöße: 10:16 (9:10); Eckbälle; 4:5 (2:1); Chancen: 12:2 (4:1); Abseits: 11:5 (6:2); Verwarnungen: Osterwalder, van der Gijp (beide wegen unsportlichen Betragens); Wetter: bewölkt, trocken, warm.
Spielbericht
Keine Schonzeit für Furchtsame:

Tore gegen Zeittaktierer
Von Günter Simon

Pardon, die Höflichkeitsfloskel ist etwas für die Ballsäle. Ansonsten erfleht man mit dem Wort Pardon Gnade und hofft auf Milde. Wer die Aargauer ohne ihre Asse Tschuppert, Schär, Kühni (alle verletzt), Kilian (disziplinarisch gesperrt) beobachtete, sah furchtsame Taktierer, die hofften, mit der Zeitvergeudung ein wirksames taktisches Mittel gegen die Offensive der Probstheidaer zu besitzen. Und insgeheim spekulierten die Schweizer auch noch mit einer Pflichtübung der Gastgeber, nämlich nicht aus vollen Lungen auf ein hohes Resultat zu spielen, vielmehr Pardon zu geben.

„Die Mannschaft bewies Moral. Sie gestattete Aarau nichts. Mit den Toren fiel manches leichter. Zwei Siege und 7:0 Tore stimmen für die nächste Runde hoffnungsvoll“, resümierte Hans-Ulrich Thomale. Angesichts der Tourismus-Vorstellung seiner Elf machte es Aarau-Chef Hubert Kostka kurz und bündig: „Einen 0:3-Rückstand aufzuholen, war illusorisch. Ohne unsere Standardabwehr konnten wir uns fast gar nicht wehren. Die Tore bewiesen es.“ Nicht anders urteilte UEFA-Beobachter P. P. Romer, Vizepräsident des niederländischen Schiedsrichterverbandes: „Man spürte, daß die Schweizer nicht mit einem Weiter- kommen rechneten. Lok war technisch besser und besaß entscheidende Schnelligkeitsvorteile.“ Treffende Aussagen!

Zu keiner Zeit geriet Lok in Not, selbst beim 20minütigen Abtasten nicht. Aarau gab da demonstrativ zu erkennen, wie die eigene Haut gerettet werden sollte: mit Breitwandfußball, Zeitverzögerungen, Kurz-, Quer- und Rückpässen, mit Alleinunterhaltung am Ball und beim Dribbling (van der Gijp). Das sah sich streckenweise sogar gut an. Aber mit passabler Optik (Opoko Nti) ist halt kein Staat zu machen, wenn die Gäste beim Angriff nur in erkaltete Asche pusteten. Zwei (großzügig) zugemessene Chancen für Knup (35.) und Matthey (89.) waren Anfang und Ende allen Angriffs-Lateins. „,Kein Druck, keine Begeisterung, Angst vor einem Debakel, Mehr hatten wir leider nicht zu bieten“, so Aarau-Pressechef Patrick Strehse. „An ein aussichtsloses Unternehmen wollten wir nicht viel Kraft vergeuden. Aber so auszuscheiden, schmerzt doch“, zeigte sich FCA-Kapitän Rolf Osterwalder konsterniert.

Innere Unruhe, lädiertes Selbstvertrauen machten Lok zu schaffen; vornehmlich bei Kombinations-bemühungen, denen das Timing fehlte. So leicht ist der Punktspielfrust nun einmal nicht abzustreifen, läßt sich nicht über Nacht in eine heile EC-Haut schlüpfen. Aber als der 21jährige Zimmerling mit zwei Toren in die Fußstapfen des 20jährigen Hobsch, des zweifachen Torschützen im Aarauer Brügglifeld, getreten war, hieß es für den Schweizer Nationalliga-Fünften nur noch „rette sich, wer kann“. Allein in der Anfangs- viertelstunde der 2. Halbzeit hatten Marschall (47./ Kopfball), Leitzke (50.), Halata (51./ Latte), Liebers (55.) und Scholz (60.) neben dem 3:0 durch den überragenden Halata weitere fünf Großchancen vor Kopf und Füßen, daß die in der Abwehr immer desolater werdenden Eidgenossen vor „dem Debakel des Jahres“ standen, wie es der 29jährige Torwartroutinier Roberto Böckli artikulierte.

Was die Messestädter gar nicht nötig hatten, waren Tempodauerdruck oder spieltechnische Akkuratesse. Zogen Halata, Scholz, Baum, Marschall an, phasenweise, wie gesagt, wurden die Schwachstellen bei den Gästen sichtbar. Jeder kämpfte auf aussichtslosem Feld, ohne Bindung, ineffektiv. Und mit zunehmender Spieldauer erliefen sich die Leipziger geradezu mühelos die Räume, standen Kühn (87./ 25-Meter-Schuß) und Marschall (88./ Nahdistanzkopfball) vor weiteren Treffern, während für Aarau nichts, aber auch gar nichts durch das Deckungszentrum der Hausherren ging. Die Verletzungsausfälle von Lindner und Leitzke wurden problemlos kompensiert.

Schon in Aarau hatten sich die Blau-Gelben das Bett (für die 2. Runde) bereitet daheim strichen sie nur noch die Decke glatt.

Jubiläumsspiel nicht vermiest

Hinter der (wenigstens anstrich fälligen) Tribüne des Plache-Stadions waren sich Lok-EC-Strategen von einst, ob Altmann (mit 43 Einsätzen Rekordmann), Frenzel, Engelhardt, Löwe oder Moldt, einig: Aarau war nicht der Gegner, um den Leipzigern das Jubiläum des 75. EC-Spiels, des 50. im UEFA-Cup, zu vermiesen, Da waren mit Benfica, AC Turin, Tottenham, Arsenal, Barcelona, Bordeaux, Spartak Moskau, AC Mailand oder Marseille, um nur sie zu nennen, weitaus höher dotierte Widersacher in den Mauern und Stadien der Messestadt – Gäste, Verlierer und Gewinner.

Interessant, daß die Geschichte des Leipziger Europapokal-Fußballs am 6. März 1956 in der Gruppe II des I. Internationalen Messestädte-Cups mit einem 6:3 gegen Lausanne im morastigen Plache-Stadion begann. Und noch heute ist es den Damaligen um Baumann, Dr. Krause und Scherbaum ein Rätsel, wie man beim Rückspiel im Lausanner Pontaise mit 3:7 k.o. gehen konnte. Unberechenbarer Fußball! Am vergangenen Mittwoch stand der 1. FC Lok wiederum gegen Aarauer Schweizer auf dem Feld, mit dem Gesamttorverhältnis von 7:0 erleichtert und froh gestimmt, und mit nunmehr 77 EC-Punkten hinter Jena (94) und Dresden (91) auf Platz 3 in der „ewigen Bestenliste“ der bislang 13 DDR-Klub- und BSG-Teilnehmer angesiedelt. Eine 32jährige EC-Geschichte ist allemal ein Erinnerungsfeld, von dem auch für die Gegenwart, zum Beispiel für die nächste Runde, geerntet werden kann.

Natürlich übersah Aarau-Präsidiumsmitglied Ernst Brunner die diffizile Aufgabe in Leipzig nicht. ,,Angesichts unserer Verletzungsprobleme und des wichtigen Ziels, auch in dieser Saison die Play-off-Runde der letzten Sechs zu erreichen, um auch 1989/90 international präsent zu sein, konnten wir gegen Lok nur auf ein achtbares Resultat taktieren“, so der Intimkenner der FCA-Szene. „Eigentlich waren wir mit unseren Gedanken schon beim kommenden Punktspiel gegen den Tabellenletzten Lugano, der zuletzt den Grasshoppers immerhin ein 2:2 abtrotzte. „Wir müssen da energisch weiter punkten“, blickte Trainer Hubert Kostka voraus. Per Charterflug ging es dann auch unmittelbar nach dem Spiel zurück gen Zürich.

Übrigens: Hans-Ulrich Thomale lobte das „ordentliche Spiel“ seiner Mannschaft und merkte außerdem an, daß es nicht „überbewertet wird“. Damit sind die Leipziger auch gut beraten, denn daß ihnen jedes Oberliga-Punktspiel mehr abfordert als die letzten 90 Minuten gegen Aarau, steht außer Frage.

-gs-

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 41/1988

1. Runde, Hinspiel am 07.09.1988
FC Aberdeen0:0 (0:0)SG Dynamo Dresden
Theo SneldersRonny Teuber
Stewart McKimmieAndreas Diebitz
Alex McLeishUwe Kirchner
Willie MillerFrank Lieberam
David RobertsonAndreas Trautmann
Jim BettMatthias Döschner
Bobby ConnorRalf Hauptmann GK
John Hewitt 70' Paul MasonHans-Uwe Pilz
Neil SimpsonMatthias Sammer
Davie DoddsJörg Stübner
Charlie NicholasUlf Kirsten GK
Trainer: Alex SmithTrainer: Eduard Geyer
Schiedsrichter:Peter Mikkelsen (Dänemark) - Gaarde, Malling (beide Dänemark)
Zuschauer:14.500 im Pittodrie Stadium in Aberdeen
Tore:Fehlanzeige
Leistung des SchiedsrichtersPeter Mikkelsen, der mit Abstand jüngste FIFA-Referee Dänemarks (geboren am 1. Mai 1960), bot eine sensationell gute Leistung! Im Bemühen, den Spielfluß so wenig wie möglich zu stören, behielt er seine souveräne Linie volle 90 Minuten bei. Oberkörpereinsatz wurde von ihm stets toleriert, sobald es aber in die Beine ging, zeigte er sich unerbittlich. Dem insgesamt ausgezeichneten Trio unterlief kein einziger Fehler!
Statistik:Torschüsse: 17:8 (95); verschuldete Freistöße: 14:22 (8:13); Eckbälle: 9:4 (4:0); Chancen; 14:5 (7:3); Abseits: 1:3 (1:0); Verwarnungen: Kirsten, Hauptmann (beide wegen Foulspiels); Wetter: angenehme Temperaturen, trocken, leichter Wind.
Spielbericht
Da staunten die Schotten:

Eine Abwehr ohne Lücken
Von Andreas Baingo

Respekt, Hoffnung, Furcht, Erlösung – diese erhobenem Hauptes. Sie fühlten sich zwar nicht wie die Sieger, „doch wer hat uns schon solch einen Kampf, solch einen Willen zugetraut“, formulierte es Hans-Uwe Pilz.

Respekt war natürlich mit im Spiel gegen einen Kontrahenten, „der 90 Minuten und noch länger unter Volldampf steht, keinen Ball verlorengibt und seinen Zuschauern eine unvergleichliche Tempohatz bietet“ (Eduard Geyer). Es war aber nicht so, daß die Dynamos aus dem Staunen nicht herauskamen. Der Druck der Schotten war gewiß frappierend, das Tempo außerordentlich hoch. Aber ins Bockshorn jagen ließen sich die Gäste nicht! Auch nicht, als zunächst im Spielaufbau nicht viel klappen wollte, da zu sehr die Bälle aus der Gefahrenzone geschlagen wurden. Als jedoch selbst die Luft zum Atmen zu knapp wurde, heiligte der Zweck ganz einfach die Mittel. Wie lange jedoch sollte das gutgehen? Immer wieder flogen Robertson und Simpson heran, schlugen Nicholas und Connor Haken auf Haken, auch McKimmie und Dodds bedrohten das Teuber-Gehäuse…

Hoffnung aber keimte, als die Schotten selbst klarste Gelegenheiten versiebten. Da rettete Teuber nach einem Fehler von Pilz (9.), Stübner warf sich in allerhöchster Not in einen Schuß (24.), schlug Kirsten das Leder von der Linie (29.). Langsam, aber gezielt lösten sich die Dresdner aus der eisernen Umklammerung. Präziser kamen die Pässe aus der Abwehr, sicherer wirkten die Aktionen vor dem eigenen Strafraum. Auch der eine oder andere Ausbruch gelang (Kirsten, Pilz, Hauptmann). „Schon in dieser Phase kurz vor dem Wechsel starteten wir einige vielversprechende Konter und spielten sie auch ganz gut aus“, urteilte Trainerassistent Reinhard Häfner. Immer sicherer organisierte Frank Lieberam seine Abwehr, stellte sich Uwe Kirchner von Minute zu Minute besser auf Nicholas ein, ließ auch Trautmann Dodds fast keinen Stich. Fester und fester stand das Abwehr-Bollwerk, enger und enger knüpften die Gäste die Maschen ihres Auf-fangnetzes. Öfter und öfter verstrickten sich die Platzherren darin.

Furcht machte sich dennoch wieder breit, weil die Schotten erneut im Tempo anzogen. Wieder wälzte sich Angriff auf Angriff Richtung Dynamo-Gehäuse. Ein Treffer schien Mitte der zweiten Halbzeit wiederum nur eine Frage der Zeit zu sein. Bald aber staunten die leidenschaftlichen Gastgeber, denn sie trafen auf eine Abwehr ohne Lücken! Flog doch einmal etwas aufs Tor, dann stand da mit Ronny Teuber ein Mann, der im größten Tohuwabohu klaren Kopf behielt und mit glänzenden Reaktionen brillierte. Vor allem gegen Connor (64., Kopfball 71.) und gegen den immer offensiver werdenden McLeish (84.) vollbrachte der Keeper seine außergewöhnlichen Taten. „Aber wir haben wohl insgesamt erstklassig gestanden, wobei uns die gradlinigen Aktionen der Schotten entgegenkamen. Trotzdem gab es an brenzligen Situationen mehr als genug“, urteilte der beste Spieler auf dem Platz. Verdienst der gesamten Elf aber war es, daß selbst die einheimische Zeitung „Press and Journal“ feststellte: ,,Dynamos Abwehr gewährte den ,Dons‘ keinen „Einlaß.“ Und das, obwohl Nicholas in der ersten Halbzeit, das beste Spiel machte, seitdem er vor Jahren von Celtic zu Arsenal ging“ (Manager Alex Smith), obwohl Connor einen Gefahrenherd nach dem anderen entzündete, obwohl Bett und Simpson im Mittelfeld die Initiative fast nie abgaben.

Einer Erlösung gleich kam deshalb der Schlußpfiff. Allerdings die dickste eigene Gelegenheit hoben sich die Gäste bis ganz zum Schluß auf. Über Kirsten, Stübner (hätte er nicht vielleicht besser selbst schießen sollen?) und Pilz hatten die Dresdner die Abwehr um Kapitän Miller lehrbuchreif ausgekontert aber das Ziel verfehlt. Nicht auszudenken, dieser Zug hätte gesessen… So aber sieht Aberdeens Manager Smith jetzt die Dresdner in der Pflicht, das Spiel zu „gestalten“. Darauf müssen sich die Dynamos einrichten. Und erst, wenn auch im Rückspiel alles ähnlich gut läuft, war es nicht nur eine Erlösung für Teil 1 dieser äußerst diffizilen und komplizierten Aufgabe.

Dieses Publikum ist Weltklasse!

Unaufhörlich tickten die Drehkreuze an den vielen Eingängen des Pittodrie Stadiums. Der mit ihnen ver- bundene Computer im Klubsekretariat spuckte im jeweiligen Augenblick die Zuschauerzahl heraus. 11 592 zeigte die Elektronik zehn Minuten vor dem Anpfiff an. Eine Sekunde später waren schon die 11 600 überschritten. Klubsekretär lan Taggart aber war nicht ganz zufrieden. Den Grund sah er hierin: „Wir spielen einen sehr guten Fußball, doch wir schießen leider keine Tore.“ Recht hatte er. Schon vor dem Spiel.

Was aber das Publikum der „Dons“ angeht, es ist Weltklasse. Nicht eine böse Szene spielte sich ab, selbst als nach 80 Minuten kein Treffer gefallen war und sich vom Ergebnis her eine leichte Enttäuschung abzeichnete, blieben die 14 000 fest hinter ihrer Elf (nur verschwindend wenige wanderten kurz vor Schluß ab). Auch sind Sachkenntnis, Objektivität und Fairneß nach wie vor phänomenal.

Um so erstaunlicher, da die englischen „Hooligans“ ihren Mannschaften vor allem im EC den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen. Aber Schotten sind nun einmal keine Engländer! Und dennoch nehmen sich viele Engländer gerade an den fairen schottischen Zuschauern ein Beispiel. Um ihre Mannschaften baldmöglichst aus der europäischen Isolation zu führen, gewinnt in England der „Klub der 92″ immer größere Popularität. Was hat es mit diesem Klub auf sich?

92 Profimannschaften spielen in den vier englischen Ligen. Und diese Mitglieder des „Klubs der 92″ streben an, alle 92 Stadien zu besuchen. Die Zauberziffer 92 ist aber lediglich erreicht, wenn man in einem Saisonheft die Statistik zum jeweils besuchten Spiel führt und ein Spiel der gastgebenden 1. Mannschaft sieht (internationale Spiele, auch auf Auswahlebene, zählen in diesem Falle mit). Äußere Kennzeichen der Klubmitglieder sind ein besonderer Schlips, sind das Klubabzeichen und eine Mitgliedskarte.

Ziel des Klubs ist es, den Zusammenhalt und die Freundschaft zwischen den Fans zu fördern. Und da sind Fans, die ihre Besuche mittlerweile auch auf die höchste Amateurklasse und eben auf die schottischen Klubs ausdehnen, bei den „Scotsmen“ genau an der richtigen Adresse! Wer sich nämlich so überaus fair, sportlich höchst interessiert, dennoch aber leidenschaftlich dem Fußball gegenüber verhält, ohne un- bedingt nur durch die eigene Vereinsbrille zu schauen, ist für diesen Sport ein Gewinn.

Die Schotten machen es den Engländern vor, nun möchten die Engländer nachziehen, sehr zum Vorteil ihrer Lieblingsmannschaften.

a. b.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 37/1988

1. Runde, Rückspiel am 05.10.1988
SG Dynamo Dresden2:0 (1:0)FC Aberdeen
Ronny TeuberTheo Snelders
Andreas DiebitzStewart McKimmie
Uwe KirchnerAlex McLeish
Frank Lieberam GKWillie Miller
Andreas TrautmannDavid Robertson GK 39' RK
Matthias DöschnerJim Bett GK
Hans-Uwe PilzBobby Connor 78' Brian Irvine
Matthias SammerBrian Grant 85' Paul Wright
Jörg StübnerPaul Mason
Torsten Gütschow 79' Uwe JähnigNeil Simpson
Ulf Kirsten 84'Ralf MingeDavie Dodds
Trainer: Eduard GeyerTrainer: Alex Smith
Schiedsrichter:Bruno Galler (Schweiz) - Schlup, Foelmli (beide Schweiz)
Zuschauer:36.000 im Dynamostadion in Dresden
Tore:1:0 Torsten Gütschow (4.), 2:0 Ulf Kirsten (66.).
Leistung des SchiedsrichtersSchiedsrichterkollektiv: Galler, . Der erfahrene Referee hatte das Spiel von Anbeginn im Griff und entschied konsequent, auch als der mit „Gelb" belastete D. Robertson den davonziehenden Kirsten förmlich umsäbelte- Feldverweis!
Statistik:Torschüsse: 8:6 (4:2); verschuldete Freistöße: 16:19 (88); Eckbälle: 5:4 (3:2); Chancen: 8:5 (5:3); Abseits: 3:2 (2:1); Feldverweis: D. Robertson (40./wegen wiederholten Foulspiels); Verwarnungen: Lieberam (wegen Ballwegschlagens) sowie D. Robertson, Bett (beide wegen Foulspiels); Wetter: bewölkt, aber nur in der Pause ein paar Spritzer.
Spielbericht
Alptraum der scharlachroten Schotten:
Ein schwarzer „Irrwisch“ stürmte

Von Jürgen Nöldner
Zwar wanderte der 22jährige Dresdner Angreifer Ulf Kirsten bisher nicht oft durch schottische EC-Berge und -Täler, aber Höhen und Tiefen hat der „Schwarze“, wie sie ihn in Dresden und bei der Nationalmannschaft rufen, auch schon hinter sich. Oft gescholten und auch nicht zu Unrecht wegen Instabilität und Sammeln Gelber Karten – steht nun plötzlich ein „neuer“ oder besser ein zu sich gefundener Kirsten auf dem Feld, der auf dem Weg zum (Sturm-) Könner ist. „In dieser Form als Angriffsspitze der Nationalelf unersetzbar“, ein Wink von Chefverbandstrainer Manfred Zapf in Richtung Auswahl. Für die scharlachroten Hochländer aus Aberdeen mag er wie ein schwarzer „Irrwisch“ erschienen sein, der durch die Deckung hin und her fuhr, ohne daß er gestellt werden konnte. Als es dann D. Robertson in seiner offensichtlichen Hilflosigkeit mit dem Säbel tat, blühte die Dezimierung durch „Rot“. „Mein Tor war der Punkt aufs i, in Bruchteilen einer Sekunde entschied ich mich für den Kopf statt für den Fuß“, soll auch der Gelobte nach dem entschei- denden Tor zu Wort kommen.

Das erste Wort sprachen seine Mitspieler bereits nach vier Minuten mit, als sich Kirsten durchsetzte, seine Eingabe irgendwie Gütschow vor den Fuß prallte und der Mann mit dem Riecher abzog. Ein frühes Tor kein zu frühes Tor? Ist an dieser Theorie sowieso fast nichts haltbar, die Dynamos wollten sich damit nicht zufriedengeben. Sammers Spielwitz blitzte einige Male – aber noch zu wenig für sein Können auf, da brannte es gleich lichterloh, so daß McKimmie nur noch ins Toraus retten konnte (11.), nach seiner Flanke Stübner mit einem Seitfallzieher Artistik bot (28.), doch nur das Außennetz traf. Trautmanns Knaller, der Snelders fast die Hand wegriß (29.), die Riesenkontermöglichkeit für Gütschow (43.), der Freistoßlattenschuß von Lieberam (54.), Döschners spätere Vorstöße waren immer wieder Stiche ins Aberdeener Abwehrnetz, besonders wenn Stübner mit immensen Läufen stetige Löcher riß. Nicht zu vergessen, daß vor dem umsichtigen Libero Lieberam, der wieder einmal seine Freistoßqualitäten demonstrierte, Routinier Trautmann und der Ex-Magdeburger Kirchner sich mit Vehemenz der schweren Aufgabe gegen die schottische Doppelspitze Grant, der den verletzten Nationalspieler Nicholas ersetzte, und Dodds widmeten. Daß sie dabei in der Luft die meisten Schwierigkeiten hatten, verwundert angesichts schottischen Flankenfußballs ins Zentrum keineswegs. Aber sie verhinderten fast immer, daß die Aberdeener ungehindert hochsteigen konnten. Diebitz mit erstaunlicher Spielübersicht und auch Mut überraschte angenehm, Nationalspieler Döschner wachte nach einer Stunde förmlich auf und bereitete dann nicht von ungefähr das 2:0 vor.

Aberdeen war zweifellos eine harte Nuß – zu elft und zu zehnt. Gekonntes Spiel aus der Abwehr heraus, pausenlose Angriffsunterstützung durch den einen Innendecker McLeish – Miller versah dagegen nur Abwehraufgaben -, Übersicht von Bett, Drang von Mason – all das präsentierten die Schotten bis zum Schluß. „Aber ich ahnte, daß die Herausstellung von Robertson auf die Dauer nicht zu verkraften sein würde“, meinte schon zur Pause Nicholas auf der Tribüne. Natürlich besaßen auch die Gäste ihre Möglichkeiten, aber beim Kopfball von Dodds stand Stübner goldrichtig, um nach einer Zwischen- berührung den Ball noch unter der Latte heraus köpfen zu können (20.), und beim Pfostenschuß von Bett fehlte ein bißchen das Glück (78.), um die Partie noch einmal offen zu gestalten. Es überraschte dennoch, daß die Scharlachroten es im Strafraum wie schon im Hinspiel an Abgeklärtheit fehlen ließen: Denn in 180 Minuten kein Tor ist selbst bei bekannter schottischer Sparsamkeit wohl ein bißchen zu geizig.

Vier Minuten vor dem Abpfiff verließ Ulf Kirsten das Feld müde und ausgelaugt. Die standing ovations hatte er sich verdient der schwarze“ Irrwisch, der die scharlachroten Schotten zur Verzweiflung trieb.

Im zehnten UEFA-Cup-Auftritt der fünfte Insel-Vergleich

Neulinge sind die Dresdner Dynamos und die Aberdeener Hochländer wahrlich nicht, wie die Bilanzen beider Klubs nur zu deutlich aussagen. Für den Gast bedeutete es immerhin schon die 18. Teilnahme an einem EC-Wettbewerb, wenn nun auch die Spiele 72 und 73 nicht gerade in die Erfolgsannalen der so traditionsbewußten „Dons“ eingehen. Die 10. Niederlage in einem UEFA-Cupspiel bedeutete für die Männer aus dem Pittodrie Park das Aus aller Träume, ähnlich wie in der Supersaison 1983 erst den Pokalsiegercup zu gewinnen (gegen Real Madrid 2:1 n. V.) und anschließend im Kampf um den Supercup ebenfalls die Trophäe zu erobern (0:0, 2:0 gegen Hamburger SV). Inzwischen ist aber viel Wasser in den Zusammenfluß von Dee und Don geflossen. Das weiß auch die „Institution“ Willi Miller, der als 33jähriger vor kurzem einen immerhin Drei-Jahres-Vertrag bekam: „Unser Start in de die Meisterschaft war durchaus vielversprechend, auch wenn die Vormachtstellung der Rangers bisher offensichtlich ist. Das Ausscheiden im UEFA-Cup ist ein herber Rückschlag, aber mit zehn Spielern war das Unterfangen nach dem Rückstand zu schwer.“ Interessant dabei, wie das Managergespann Alex Smith und John Scott – solche Art „Gleichberechtigung“ hat im internationalen Fußballgeschäft wohl Seltenheitswert – auf Robertsons Blackout reagierte. Keine Einwechslung eines Verteidigers, sondern McKimmie änderte nur die Seite und die Schwere der Aufgabe (gegen Kirsten nun), Mason ging zurück. Bloß damit beraubten sich die „Dons“ ihrer aggressivsten Angriffsunterstützung.

Zum zehnten Male hieß die Herausforderung für die Dynamos: EC III mit den Partien 45 und 46. Für die Elbflorenzer auch ein fünftes Kräftemessen mit Teams von der Insel. Dreimal boten England (Leeds United und der FC Liverpool doppelt) und einmal Schottland (Glasgow Rangers) das Halt für die Dörner, Wätzlich, Ganzera, Geyer, Häfner, Kreische und Riedel. Nun hat es die heutige Generation gepackt. Das 2:0 brachte den 19. Sieg bei den 46 UEFA-Spielen. Und er rangiert unter besonders wichtig: Denn ein Ausscheiden in der ersten Runde wie im Vorjahr gegen Spartak Moskau hätte das fußballverliebte Dresdner Gemüt arg getroffen. Ein proppenvolles Stadion schon anderthalb Stunden vor dem Anpfiff – in Dresden scheint jeder die Fußballbegeisterung mit der Muttermilch einzusaugen. Ein Showspektakel von Moderator Gert Zimmermann inszeniert und interpretiert – mit Elfmeterschießen Prominenter und Livesound von Frank Schöbel „Fans sind eine Macht“ – als Einstimmung setzt neue Maßstäbe in der Rahmengestaltung. Und für das Casino, das diesmal Spezialitäten – Kreische-Kalbshaxe, Dörner-Grillteller und Häfners indische Geflügelleber – bot, sei nun vielleicht zur nächsten Runde Kirstens schottisches Beef empfohlen. Wenn’s der Ulf mag.
J. N.
Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 41/1988

2. Runde, Hinspiel am 26.10.1988
1. FC Lokomotive Leipzig1:1 (0:0)SSC Neapel
René MüllerGiuliano Giuliani
Frank BaumGiancarlo Corradini GK
Torsten KrachtGKCiro Ferrara
Ronald Kreer GKLuca Fusi 80' Tebaldo Bigliardi
Matthias LindnerAlessandro Renica
Uwe BredowAlemão
Matthias Liebers 80' Dieter KühnMassimo Crippa 73' Antonio Carannante
Heiko Scholz 79' Hans-Jörg LeitzkeFernando De Napoli
Damian HalataGiovanni Francini
Olaf MarschallDiego Maradona
Matthias ZimmerlingCareca
Trainer: Hans-Ulrich ThomaleTrainer: Ottavio Bianchi
Schiedsrichter:Alexis Ponnet - Laenens, Moons (alle Belgien)
Zuschauer:80.100 im Zentralstadion in Leipzig
Tore:1:0 Matthias Zimmerling (69.), 1:1 Giovanni Francini (73.).
Leistung des SchiedsrichtersDer 49jährige Brüsseler FIFA-Referee lobte „die korrekte Haltung beider Mannschaften". Ihm selbst mangelte es jedoch beträchtlich an Augenmaß bei Freistößen (das Foul an Halata/39. als „Schwalbe" auszulegen, war schon eine penetrante Selbstgefälligkeit).
Statistik:Torschüsse: 8:3 (2:2); verschuldete Freistöße: 25:15 (166); Eckbälle: 8:2 (5:0); Chancen: 6:2 (3:1); Abseits: 4:5 (1:2); Verwarnungen: Kreer, Kracht (beide wegen Foulspiels) und Corradini (unsportliches Betragen); Wetter: trocken, kühl.
Spielbericht
Genugtuung diktierte die Szene:

Mit erhobenem Kopf gespielt
Vor Günter Simon
Im Kino mag die Angst die Herzen stocken lassen oder die Seele auffressen; in der „La ola“-Atmosphäre (!) des Zentralstadions war Furchtsamkeit kein Ratgeber. „Dieses Gefühl übermannte die Leipziger Löwen“ nicht, auch wenn die neapolitanische Nationalspielergilde drohend wie der Vesuv wirkte. „Bemerkenswert, daß die Gastgeber mit erhobenem Kopf die individuell besser besetzten Italiener zu einem prächtigen Match herausforderten und sogar Chancenvorteile besaßen“, resümierte Erik Hyldstrup, dänischer UEFA-Beobachter.

Natürlich befand sich Lok in der Rolle des Außenseiters. Aber das prägte die Haltung, den Stil, machte die Leipziger zu Kämpfern, die ihren Gegner höchst respektlos ins Visier nahmen. Napoli-Trainer Ottavio Bianchi definierte die 90 spannenden, dramatischen Minuten als „ein von der Taktik bestimmtes gutes Spiel, in dem wir unsere Absichten realisierten“. Tatsächlich gelang das den Gästen mit der vielversprechenden 1:1-Ausgangsposition. Aber Fernando De Napoli, Mittelfeldas der „Squadra Azzurra“, gestand ebenso freimütig zu: „Leipzig forderte uns wesentlich mehr ab als Saloniki in der 1. Runde.“

Der Anspruch auf Größe, auf Gleichwertigkeit, auf die Balance von Spiel und Kampf wurde von den Thomale-Schützlingen durch eine imponierende Risikobereitschaft erkauft. Neapel, das ist ja nun beileibe nicht „Maradona + 10″. Die individuelle Klasse, die da allein vom Ballkünstler Careca und dem vitalen Offensiv- wie Defensivstrategen Alemao, beide von brasilianischer
Virtuosität, offeriert wurde, brauchte schon adäquate Gegenpole. „Da zogen sich Kreer gegen Maradona sowie Lindner gegen Careca gut aus der Affäre“, lobte Hans-Ulrich Thomale. Das war bester Anschauungsunterricht, wie Maradona und Careca in Bewegung gerieten, wenn De Napoli, Francini, Alemao das Leder nach vorn trieben oder schlugen. Wer auf diese Kreativität, auf diese Handlungsschnelligkeit trifft, muß erst eine Schrecksekunde überwinden, um dann selbst seine Willensqualitäten, seine Absichten durchzusetzen. Gegen kompromißlose, belastbare italienische Deckungsreihen gelingt das nur bei größter eigener Anstrengung, wobei sich auch der SSC keinen Deut darum scherte, Lok eine optische Überlegenheit, mehr Spielanteile zu überlassen. Aber die Zeiten, als der Catenaccio Herrerascher Prägung die Idee des Spiels mißbraucht, die Angriffsentwicklung förmlich amputiert hatte, sind in Italien längst passé. Leichtfüßig, locker und hellwach konterten die Gäste, wovon ihr blitzschneller Kopfballausgleich durch Abwehrspieler Francini zeugte.

Enttäuschung ist nicht die Stimmungslage, mit der sich die Messestädter abfinden müssen; beileibe nicht. Von diesem Niveau aus wird unsere Form weiter ansteigen“, artikulierte Klubvorsitzender Peter Gießner. Doch selbst wenn sich alle in die Pflicht nahmen, die Selbstdarstellung der Akteure, ihr Anteil am aktiven Geschehen war zu unterschiedlich. Die Auswechslungen besagten genug. Nicht so sehr das Resultat, das im San Paolo zu korrigieren einer Sisyphusarbeit gleich kommt, nein, die innere Ohnmacht der Leipziger hatte einen anderen Grund. „Die Italiener machten aus anderthalb Chancen ein Tor, wir dagegen aus vier, fünf und den weitaus klareren noch dazu eben leider auch nur eins“, machte Thomale aus seinem Herzen keine Mördergrube. Ob Kracht, Lindner, Zimmerling oder Halata, jeder von ihnen hatte den siegbringenden Treffer vor Kopf und Fuß. Das besagte zwar viel, zumal Napoli in der Schlußphase die Abwehr noch um zwei weitere Defensivspieler verstärkte, doch mangelnde Chancenverwertung ist halt ein Luxus, den man sich nicht leisten kann oder teuer bezahlen muß.

Eines ist sicher: ein dolce far niente, ein süßes Nichtstun gibt es im Rückspiel nicht weder noch…
Du hast Folgendes gesendet:
Wie siamesische Zwillinge: das Spiel und die Stimmung!

Natürlich explodiert im Betonkessel des San Paolo von Neapel die Leidenschaft der Tifosi“. Daran dachte sicherlich auch SSC-Trainer Bianchi, als er von anderen äußeren Bedingungen“ als in Leipzig sprach. Und wenn italienische Journalisten vom San Paolo, von, Maradona und Careca reden (besser gestikulieren), dann haben auch sie für die Napoli-Gegner nur Dantes Inferno oder „Neapel. sehen und sterben“ im Kopf. Da werden die Herr-im-Hause-Emotionen voller Häme an den Gästen abreagiert, da prasselt die Antipathie in dicken Brocken von den Hängen herunter und auf die Nervenkostüme der Widersacher herab. Aber gemach, auch die Neapolitaner leben in dieser Stadioneuphorie immer gefährlich: einerseits treibt sie der Erwartungsdruck der 80 000 hemmungslos nach vorn, andererseits sind sie um nichts besorgter als um Gegentore. Deshalb gelang ihnen in den letzten drei EC-Wettbewerben gegen den FC Toulouse, Real Madrid und PAOK Saloniki jeweils nur ein Tor! Eine psychologische Ermunterung ist das für den 1. FC Lok allemal.

Da wir schon bei Zuschauerreaktionen sind: dem Londoner Wembley-Stadion sagt man nach, daß in ihm entweder triumphiert oder getrauert, aber selten die Fassung verloren wird. So auch am Mittwochabend in Leipzig, denn wie im proppevollen Zentralstadion die mexikanische „La ola – WM-Endrunden-Welle“ für Stimmung sorgte, das war eine ganz neue Erfahrung, war wie Poesie. Und das darf mit Fug und Recht auch erwartet werden, wenn die DDR-Nationalmannschaft auf dem zur ITALIA 90 die entscheidenden Spiele in der WM-Qualifikation zu bestreiten hat! Unser Spiel paßte zur Gesamtstimmung“, erklärte Lok-Vorsitzender Peter Gießner. Leistung wird eben noch immer honoriert.

Neapels Trainer ließ im Hochgefühl über das wertvolle Auswärts-1:1 auch die Kehrseite des italienischen Showfußballs durchschimmern: Die zahlreichen Ausländer sorgen zwar für Attraktivität, sie verbauen allerdings auch vielen jungen Spielern die Wege.“ Doch was nützt diese Erkenntnis, wenn die SSC-Gewaltigen von ihm den nächsten Titel und permanente EC-Erfolgserlebnisse abfordern, und zwar mit den teuren Legionären“? Doch wohl nichts.

Über die gegenwärtigen EC-Tage hinaus haben viele junge Begabungen in Leipzig, Jena, Dresden und Berlin mit ihren neuen, eigenen internationalen Erfahrungen Faustpfänder in den Händen. Nutzt sie!
-gs-

Trainer Hans-Ulrich Thomale (1. FC Lok):

Die Zuschauer erlebten ein sehenswertes, dramatisches Spiel, wobei das Ergebnis den Gästen schmeichelte. Was wir mit Kollektivität und Fitneß erreichten, löste Neapel mit individueller Klasse. Natürlich ist das 1:1 keine gute Ausgangsposition für uns. Dennoch haben wir vor, im Rückspiel mit der gleichen Begeisterung und kämpferischen Energie aufzutrumpfen. Die Chancen stehen in Neapel 59:41, wobei ich das natürlich mit sehr viel Selbstbewußtsein feststelle. Der SSC darf sicher sein, daß wir es ihm, auch Maradona nicht, keineswegs leichtmachen werden. Kreer, obwohl ihm nach seiner Verletzung noch die Spielpraxis fehlte, machte seine Sache gegen den Argentinier ebenso gut wie Lindner gegen Careca. Beide haben auch in Neapel mein volles Vertrauen.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 44/1988

2. Runde, Rückspiel am 09.11.1988
SSC Neapel2:0 (1:0)1. FC Lokomotive Leipzig
Giuliano GiulianiRené Müller
Giancarlo CorradiniFrank Baum
Ciro FerraraTorsten Kracht
Luca Fusi 89' Antonio CarannanteRonald Kreer
Alessandro RenicaMatthias Lindner
Massimo CrippaUwe Bredow
Fernando De NapoliMatthias Liebers 76' André Barylla
Giovanni FranciniHeiko Scholz
Diego MaradonaDamian Halata
CarecaHans-Jörg Leitzke 43' Jürgen Rische
Andrea CarnevaleOlaf Marschall
Trainer: Ottavio BianchiTrainer: Hans-Ulrich Thomale
Schiedsrichter:Georges Sandoz - Morex, Kloetzli (alle Schweiz)
Zuschauer:53.442 im San Paolo in Neapel
Tore:1:0 Giovanni Francini (2.), 2:0 Heiko Scholz (61. / Eigentor).
Leistung des SchiedsrichtersDer 43jährige Referee (zwischen 1969/75 siebenfacher Verteidiger-Inter-nationaler) mit FIFA-Praxis seit 1984 aus Peseux bei Neuchatel lieh den Gastgebern verständnisvoll Auge und Ohr mit Heimoption. Großzügig beim SSC, kleinlich gegen Lok dieser „Brauch" war so offensichtlich wie nur irgendwas.
Statistik:Torschüsse: 15:3 (7:0); verschuldete Freistöße: 16:25 (6:12); Eckbälle: 6:4 (3:3); Chancen: 8:2 (4:0); Abseits: 5:3 (2:1); Verwarnungen: keine; Wetter: trocken, leichter Wind, abendliche Kühle (Beginn 20.30 Uhr!).
Spielbericht
Lok-Abschied aus dem San Paolo:

Keine Lektion mehr Erlebnis
Von Günter Simon
Zwölf Tore schossen die Probstheidaer bei ihren letzten drei Punktspielsiegen. Gegen Abwehrreihen (Brandenburg 3:1/A, Zwickau 7:2/H, BFC 2:0/A), die sich förmlich selbst zum „Abschuß“ freigegeben hatten. In Neapel war (zunächst) nur ein Treffer erforderlich, wenigstens, aber dieses „wenigstens“ lag so klotzig vor den Leipzigern wie der majestätische Vesuv vor der Zweieinhalb-Millionen-Stadt mit ihrem Gefühl für Fußball, das kaum beschrieben, höchstens besungen werden kann!

Die Abwehrreihen italienischer Spitzenmannschaften (mit ausländischem Weltklasse-Spielerflair!) düpieren zu wollen, setzt mindestens drei Dinge voraus: perfektes Teamwork durch hochklassige Individualisten, Kreativität und Durchsetzungsvermögen in Zweikämpfen, deren Qualität von elegant bis perfide geht.

Diesen spielkulturellen, stilistischen Einsatz kann derzeit keine unserer besten Mannschaften bringen, bedingt durch elementare Besetzungsprobleme (der respektabnötigende Einsatz des 18jährigen Rische war mehr ein psychologischer Wechsel auf die Zukunft). Lok kämpfte, wurde früh geschockt, stabilisierte sich, gab Denk- und Spielansätze zu erkennen, erstarrte nicht im Psychoterror des San Paolo, den Diego Maradona für „phantastisch genug hält, um mit ihm das Finale zu erreichen“ (so „Sportsud Campania“). Mit dieser Seite der Medaille vermochten die Gäste phasenweise zu gefallen. Ihr Selbstwertgefühl lag nicht brach.

Aber auf der anderen Seite fehlten die richtigen Gravuren. Napoli setzte genau dort an, wo Lok zuletzt beim BFC: es konzentrierte sich auf die (vermeintlichen) Matchwinner, auf Marschall und Halata, und das gleich doppelt oder dreifach. Wenn es sich als notwendig erwies, wurden die Gefahrenherde schnell umstellt.

Notwendig, zweckmäßig, effektiv der SSC verstand sich auf jedes Detail. „Natürlich wußten wir um die explosiven Startphasen der Italiener. Und trotzdem überraschten sie uns ausgerechnet nach zwei Freistoßstandards“, schüttelte Hans-Ulrich Thomale den Kopf. Die Pauschale, Neapel war die bessere Mannschaft und gewann hochverdient, ist mir zu einfach. Sicher hat die Schlagzeile von „, La Gazetto dello Sport“ etwas für sich: „Napoli, eine Lokomotive“. Aber auf den Kern der Dinge stößt wohl mehr, daß die Italiener wie eine Quelle sprudelten, wenn es Maradona, Careca, Crippa, De Napoli und Carnevale gefiel“, so Trainer Ottavio Bianchi. Neapel kam hemmungslos an den Lok-Strafraum heran und in ihn hinein, spielte wie von einem Podium herab und verstand auf eine Art und Weise zwischen Safety first und Angriffstotalität zu kombinieren, daß man nach diesem souveränen 2:0 nur erahnen kann, welch taktische Variabilität in diesem italienischen Vizemeister steckt!

Eine Summe von Fehlern stand bei den Himmelblauen“ gar nicht zur Diskussion. Wenn einer patzte, hatte der nächste Mann sofort eine Show parat. Ein verlorenes Tackling wurde postwendend korrigiert. Die Initiative lag immer bei den Neapolitanern, selbst wenn Lok kam. Denn auf den blitzschnellen, geradlinigen Konter, eigentlich auch die Spezialität der Messestädter, verstanden sich die Könner um Maradona wie auf das Aufputschen der Enthusiasten auf den Rängen, wenn diese gerade Luft für die nächste Ekstase schöpften. In Zonen, wo nichts nach Gefahr roch, trieb der SSC keinen Aufwand. Da ließ er auch Liebers, Bredow oder Scholz gewähren. Doch wenn Renica, Francini, Ferrara und Corradini die Jalousien herunterließen, dann waren sie auch dicht. Und wenn das Trio Maradona – Careca – Carnevale (erfolgreichster Serie-A-Torjäger mit fünf Treffern!) am Ball oder in der Kombination explodierte, dann hieß es Nerven und kühlen Kopf zu behalten. „Ein Mann mit tollen Reflexen“, lobte Giuliano Giullani, der SSC- Keeper, René Müller, der hielt was zu halten war.

Ungeachtet des EC-K.o`s war Neapel eine wertvolle Erfahrung (keine Lektion) für Lok. Wer mehr erwartet hatte, war wenigstens voller Phantasie.
-gs-

Hans-Ulrich Thomale (1. FC Lok Leipzig):

Das 1:1 im Heimspiel ließ uns doch illusionslos nach Neapel fahren. Aber ins Schwitzen wollten wir wir den SSC schon bringen. Daß wir nach drei Minuten schon kalt getroffen wurden, war schlimm. Danach brauchten wir eine Viertelstunde, um uns zu beruhigen und zu stabilisieren. In dieser Phase war für Neapel auch ein 2:0 oder 3:0 möglich. Natürlich blieb die Begegnung „heiß“, so lange es 0:1 stand. Ein weiterer Fehler bei einer Standardsituation, bei der erneut Maradona drinhing, warf uns dann mit 0:2 chancenlos zurück. Beim Foul an Marschall versagte uns der Referee leider einen Strafstoß. Wir versuchten alles, aber Neapels Sieg ging völlig in Ordnung.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 46/1988

2. Runde, Hinspiel am 26.10.1988
SG Dynamo Dresden4:1 (3:0)KSV Waregem
Ronny TeuberVital Borkelmans
Andreas DiebitzPino De Craeye GK
Uwe KirchnerYvan Desloover
Frank LieberamJacko McDonagh
Andreas TrautmannMarc Mertens
Matthias DöschnerManu Karagiannis
Ralf HauptmannPatrick Teppers 73' Nick Descamps
Hans-Uwe PilzAlain Van Baekel
Matthias SammerRichard Niederbacher
Torsten Gütschow 83' Ralf MingeHans Christiaens
Ulf Kirsten GKLudo de Schepper
Trainer: Eduard GeyerTrainer: Urbain Haesaert
Schiedsrichter:John Blankenstein - Hobe, Oberkleeft (alle Niederlande)
Zuschauer:35.000 im Dynamostadion in Dresden
Tore:1:0 Uwe Kirchner (12.), 2:0, 3:0, 4:0 Ulf Kirsten (23., 39., 64.), 4:1 Richard Niederbacher (83.).
Leistung des SchiedsrichtersDer Niederländer hatte häufig eine recht eigenwillige Regelauslegung mit deutlicher Bevorteilung seiner belgischen Nachbarn. Er ahndete bei den Dresdnern bereits den leisesten Versuch eines Remplers, kam so auf 31 Freistöße gegen die zumeist das Spiel bestimmenden Gastgeber und sah schließlich auch noch einen Eckball für die Gäste, als Christiaens den Ball völlig unbedrängt und von keinem auch nur andeutungsweise berührt, vorbeischoß, was im Stadionrund schallendes Gelächter bewirkte (75.).
Statistik:Torschüsse: 11:8 (7:4); verschuldete Freistöße: 31:27 (18:13); Eckbälle: 8:3 (3:0); Chancen: 7:1 (4:0); Abseits: 0:0: Verwarnungen: Kirsten und de Craeye (wegen Foulspiels): Wetter: trocken, mild.
Spielbericht
Wieder Dresdner Fußballfest:

Erfreuliche Standard-Tore
Von Manfred Binkowski
Erfolge müssen organisiert werden. Dazu gehört nicht nur allein eine bestens vorbereitete Mannschaft, sondern auch ein adäquates Umfeld. In Dresden stimmt alles. Jeder Auftritt der Schwarz-Gelben im Dynamo-Stadion ist ein Fußballfest. Diesmal stimmte Stadionsprecher und Moderator Gert Zimmermann ab 19.15 Uhr das Publikum mit einem Elfmeterschießen zweier Rockbands, Jongliervorführungen von Fußball-eleven und mehreren kurzen Interviews, sogar mit dem Gästetrainer Haesaert, wirkungsvoll ein. Die Stimmung war bereits auf dem Höhepunkt, als die Mannschaften kurz vor 20.00 Uhr das Spielfeld betraten. Und dann erwiesen sich die Schwarz-Gelben von ihren Trainern Eduard Geyer und Reinhard Häfner ebenfalls bestens präpariert. „Wir trainieren schon seit längerem sehr viele Standards. Heute hat es nahezu maximal geklappt“, gestand Geyer hinterher. Alle vier Treffer resultierten schließlich daraus: durch einen weiten Pilz-Einwurf mit Kopfball-verlängerung (1:0), zwei weiten Pilz-Freistößen (2:0, 4:0) und einer kurzen Döschner-Freistoß-eingabe (3:0). „Da war unsere Abwehr, in der de Schepper den verletzten Galje nicht vollwertig ersetzen konnte, nicht auf dem Posten“, meinte Kapitän Pino de Craeye.

Nach einigen wenigen nervösen Anfangsminuten, in denen Lieberam, der auch später einige Unsicherheiten nicht verbergen konnte, beinahe van Backel zum Führungstreffer verholfen hätte, doch zum Glück war Teuber auf dem Posten (6.), zogen die Gastgeber immer sicherer und schließlich souverän ihre Kreise. Vornehmlich Pilz (nach seiner Verletzung wieder zunehmend auswahlreif) mit klugen Spielverlagerungen und gefühlvollen Pässen in die Tiefe und der vorwärts-drängende Sammer trieben die Aktionen nach vorn. Kirchner gewann durch sein erstes Tor im dritten EC-Spiel offensichtlich an Selbstvertrauen. So fiel der Ausfall des verletzten Stübner erfreulicherweise nicht so stark ins Gewicht. Und vorn untermauerte Kirsten einmal mehr seine derzeit blendende Verfassung. Vier Treffer in drei EC-Partien stellen ihm allein schon ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Davon drei Kopfballtore des nur 1,74 m großen, dynamischen Elbestädters sind ein deutlicher Beweis dafür, daß diese Stärke nicht ein Ausdruck körperlicher Größe, sondern vielmehr der erworbenen Fähigkeit ist, im rechten Moment zu springen und eine Situation als erster zu erfassen, wie beispielsweise beim 3:0, als alle anderen auf Döschners Freistoßeingabe warteten, Kirsten dem Ball entgegenlief und in die kurze Ecke köpfte.

Bei etwas mehr Kaltblütigkeit von Gütschow, der mit einer flachen Eingabe den völlig freien Sammer verfehlte (15.), oder Hauptmann, der mit einem Pilz-Musterpaß unbedrängt in den Strafraum zog, doch an de Schepper scheiterte (36.), und von Sammer, der nach einer gelungenen Freistoßvariante nur den Pfosten traf (70.), hätte schon endgültig alles für die nächste Runde klargemacht werden können. „Ein völlig unnötiges Gegentor“ (so Eduard Geyer) läßt den Belgiern nun doch etwas Hoffnung. Das kam allerdings nicht von ungefähr. Denn mit einigen Angriffszügen über ihren Kapitän de Craeye, den quirligen Christiaens und den Österreicher Niederbacher hatten die ballsicheren Gäste, die kaum einmal den Ball planlos nach vorn schlugen, sondern immer bemüht waren, ihn in den eigenen Reihen zu halten, auch zuvor schon ihre nicht zu unterschätzende Gefährlichkeit angedeutet. „Sie waren schwerer zu bespielen als zuvor die Schotten“, verglich Andreas Trautmann die beiden bisherigen UEFA-Cup-Kontrahenten. Eine flache Eingabe von de Craeye in den Rücken der Abwehr konnte Teuber vor Niederbacher gerade noch in Sicherheit bringen (72.). Als dann erneut Niederbacher, der nicht viel, aber sehr effektiv lief, einer Eingabe des eingewechselten Descamps entgegenstartete, ließ er sich diese Chance nicht entgehen. Verständlich, daß er nun zu Hause, wo er beim 5:1 gegen Molde FK ebenso wie Christiaens zweimal erfolgreich war, auf weitere Treffer hofft. Aber da hat ja Dynamo auch noch ein Wörtchen mitzureden…

Beim nächsten Heimspiel nun auch Kirsten-Kompott?

„Und für das Casino, das diesmal Spezialitäten – Kreische-Kalbshaxe, Dörner-Grillteller und Häfners indische Geflügelleber – bot, sei nun vielleicht zur nächsten Runde Kirstens schottisches Beef empfohlen.“ So hatte Jürgen Nöldner seinen Randbeitrag nach dem 2:0 über den FC Aberdeen ausklingen lassen. Prompt stand am letzten Mittwoch „Kirsten-Beef à la Aberdeen“ auf der Speisekarte. Nach den jüngsten drei Treffern des Schwarzen“ dürfte beim nächsten Heimspiel in der 3. Runde des UEFA-Cups, die ja nun erreicht werden müßte, am 23. November oder 7. Dezember sicherlich auch noch ein Kirsten-Kompott hinzukommen. Das Rezept kann der Ulf ja mit dem Chefkoch vielleicht bei der Fernsehübertragung des Rückspiels abstimmen, denn da ist er nun nach der zweiten Gelben Karte zum Zuschauen verurteilt. Eine einzige, etwas zu forsche, allerdings unnötige Attacke des auch in dieser Hinsicht erfreulich verbesserten Dynamo-Angreifers genügte für den in keiner Weise souveränen nieder- ländischen Schiedsrichter Blankenstein, um den besten Mann auf dem Platz für das Rückspiel aus dem Verkehr zu ziehen“.

Sehr angetan von dieser Partie in einer Super- Atmosphäre war auch UEFA-Beobachter Nikolai Johannsen aus Norwegen. „Das war ein Erlebnis, ein rundum glänzendes Fußballspiel“, meinte der 70jährige Osloer, der 28 Jahre Generalsekretär des Norges Fotballforbundes war. Und er gewann auch ein neues Bild von der Dynamo-Mannschaft, die ich zuletzt beim 3:7 in Uerdingen gesehen habe“. Ausgesprochen freundlich gab sich trotz des 1:4 auch der 47jährige Urbain Haesaert, seit sechs Jahren Trainer in Waregem. „Einen Treffer wollten wir unbedingt erzielen. Er ist zwar erst spät gefallen, läßt uns aber noch eine kleine Öffnung für das Rückspiel, in dem ja Kirsten zum Glück nicht dabei sein wird. Ich habe meine Mannschaft nach meiner Beobachtung gegen Cottbus eindringlich vor ihm gewarnt, es hat aber doch nicht geholfen.“ In der 30 000 Einwohner zählenden Textilstadt Waregem, wo durchschnittlich 7 000 Zuschauer zu den KSV-Heimspielen kommen rechnet man am kommenden Mittwoch mit einem fast vollen Haus im Regenbogenstadion mit seinen 18 000 Plätzen, das zur Radsport-WM 1957 eingeweiht worden war. Haesaert hofft dann auf die gleiche Unterstützung durch das Publikum wie in Dresden für Dynamo, damit wir vielleicht doch noch das Unmögliche möglich machen“.

m. b.

Trainer Eduard Geyer (Dynamo Dresden):

Mit dem 4:1 haben wir uns erst einmal einen doch einigermaßen beruhigenden Vorsprung für das Rückspiel verschafft. Die Mannschaft hat es wie erhofft verstanden, den Gegner zu beschäftigen und unter Druck zu setzen, ihn so nicht ins Spiel kommen zu lassen. Ein hervorragender Ulf Kirsten konnte sich dabei mit drei Treffern noch besonders hervortun. Das unnötige Gegentor ist ein Schönheitsfleck, den wir in Waregem mit einem weiteren Treffer unbedingt verwischen wollen. Ich hoffe, ja, ich bin sicher, daß die Mannschaft auch ohne den nach zwei Verwarnungen gesperrten Kirsten im Rückspiel erneut so selbstbewußt auftrumpft. Das wird allerdings auch nötig sein, weil die Belgier, was sie in Dresden bereits angedeutet haben, zu Hause mit einer wesentlich besseren Leistung und gutem Kombinationsfußball aufwarten werden.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 44/1988

2. Runde, Rückspiel am 09.11.1988
KSV Waregem2:1 (1:0)SG Dynamo Dresden
Vital BorkelmansRonny Teuber
Pino De CraeyeUwe Kirchner GK
Yvan DeslooverFrank Lieberam
Jacko McDonagh GKAndreas Trautmann
Marc Mertens GKMatthias Döschner
Manu KaragiannisRalf Hauptmann GK
Patrick TeppersHans-Uwe Pilz 78' Uwe Jähnig
Alain Van BaekelMatthias Sammer 88' Steffen Büttner
Hans ChristiaensJörg Stübner GK
Richard NiederbacherTorsten Gütschow
Ludo de SchepperRalf Minge
Trainer: Urbain HaesaertTrainer: Eduard Geyer
Schiedsrichter:Keith Cooper - Loosemore, Thomas (alle Wales)
Zuschauer:5.000 im Regenboogstadion in Waregem
Tore:1:0 Richard Niederbacher (10.), 2:0 Alain Van Baekel (49.), 2:1 Torsten Gütschow (54. / Handelfmeter).
Leistung des SchiedsrichtersZwar setzte der 40jährige Keith Cooper gleich in der Anfangsphase mit Gelb für McDonagh die Akzente, im Verlaufe der ersten Halbzeit aber waren nur noch die Dresdner „Mode".
Statistik:Torschüsse: 8:3 (3:2); verschuldete Freistöße: 22:14 (11:9); Eckbälle: 8:3 (3:0); Chancen: 5:3 (2:2); Abseits: 1:3 (0:0); Verwarnungen: McDonagh, Mertens sowie Stübner, Kirchner und Hauptmann (alle wegen Foulspiels); Wetter: trocken, mild.
Spielbericht
Dynamo geriet ins Taumeln:

Rettung in allerhöchster Not
Von Andreas Baingo
Das war gewiß nichts für schwache Nerven. Dynamo trieb fast mit Entsetzen Scherz. Erst die unverhoffte Elfmeterchance nach de Scheppers „technischem Fehler“ vor dem eigenen Kasten – er nahm den Ball zweimal auf, ohne daß dieser den Strafraum verlassen hatte oder von einem Gegenspieler berührt worden war – und dem indirekten Freistoß löste die Anspannung. Zumindest behielt Torsten Gütschow am Punkt die Nerven. „Etwas kribblig aber wurde es mir doch. Einerseits war ich mir meiner Sache ziemlich sicher, andererseits kann aber immer etwas schiefgehen.

„Ein Tor, das in der Entstehung ganz dumm war“, äußerte Alain van Baekel. Dabei hatte gerade er mit trockenem Direktschuß gleich nach der Pause die Zeichen endgültig auf Sturm gestellt. Schon schienen die Wogen über den Gästen zusammenzubrechen. „Wir befanden uns auf dem besten Wege in die nächste Runde. Jeder hat gesehen, daß wir drauf und dran waren, den riesigen Dresdner Vorsprung auszugleichen“, resümierte ein geknickter Urbain Haesaert. Seine Elf aber enttäuschte ihn nicht. „Vielmehr boten wir unser bestes Saisonspiel“, betonte 1:0-Torschütze Richard Niederbacher. Der Österreicher schürte nicht erst mit seinem Führungstreffer das Feuer. Er hatte bereits im Hinspiel mit seinem Tor die Lunte gelegt.

Daß es dann aber doch nicht zur Explosion kam, lag lediglich an der Kurzschlußreaktion des Torhüters. „Allein deshalb vollzog sich das Wunder nicht“, mutmaßte „Het Nieuwsblad“. Dabei sprach schon vieles für die Belgier aus dem Regenboogstadion. Sie trumpften jedoch auch deshalb so beherzt auf, weil den Dynamos zunächst gar nichts gelingen wollte. Sie besaßen zwar die erste gute Gelegenheit (Minge verpaßte eine Eingabe Hauptmanns und verletzte sich dabei), in den folgenden 50 Minuten allerdings war hinsichtlich Spiel- und Kombinationsvermögen Schmalhans Küchenmeister.

Dem Kapitän gelang es als einzigem, die Zügel wenigstens hin und wieder in die Hand zu bekommen. Trotzdem geriet Dynamo in starken Taumel, weil vieles nicht stimmte. Schon in der Abwehrorganisation nicht. Nach unsicherem Beginn steigerte sich wenigstens Teuber, doch die anderen ließen die erhoffte Souveränität trotz des eigentlich beachtlichen Polsters vermissen. Am besten zog sich noch Trautmann gegen Niederbacher aus der Affäre. Kirchner stand gegen den quirligen Christiaens auf verlorenem Posten.

In einem Spiel, das von den Kombinationen her streckenweise chaotische Züge beinhaltete, wußten sich die Dynamos in des Gegners Hälfte nur höchst selten zu behaupten. Hin und wieder ruckte Gütschow zwar an, doch von Sammer ging kaum einmal Aktivität aus. Mit dieser Angriffsgestaltung war nicht viel Staat zu machen. Natürlich fehlten hierbei die öffnenden Züge aus der vorbereitenden Zone, aber da fand sich außer Pilz eben keiner, der für das erforderliche Fundament gesorgt hätte.

Wie aufgescheucht rannte deshalb fast die gesamte Elf herum. Stübner merkte man die verletzungs-bedingte Pause deutlich an, auch Minge ist trotz eifrigen Mühens noch nicht wieder in gewohnter Verfassung. Folglich lastete zu vieles auf den Schultern des Kapitäns. Dessen Stärke war es bislang nicht unbedingt, dort zu glänzen, wo es ernsthaft zur Sache geht. Diesmal aber sprang er schon ein wenig über seinen Schatten. Technisch brillant auch seine Vorlage auf Minge, dessen Kopfball schließlich Christiaens mit der Hand von der Torlinie holte.

Diese Szene kam wie eine glückliche Rettung in allerhöchster Not und nahm den Belgiern schlagartig die kräftige Brise aus den Segeln.

Im „Klauwaart“ blieb die Kasse geschlossen

In Waregem, nahe den Schönen Flandern gelegen (Brügge und Gent), spielt der Sport eine gehörige Rolle. Einmal im Jahr gegen Ende August zieht der Pferde-“Jaarmarkt“ und der Waregem „Koerse“, ein Hindernisrennen, viele Tausende Besucher an. Am 30. August 1847 war’s das erste Mal, daß Jockeys und Pferde über die Bahn stoben. Besonders anziehend beim Ritt über die Hindernisse ist für die Zuschauer der Sprung über einen Wassergraben, einen natürlichen Weiher. Ist es trocken, dann schlängelt sich das Rinnsal mit einer Breite von gerade einmal vier Metern durch den Park und das Hippodrom. Hat es aber geregnet, ist das Wasser fast doppelt so breit. Über diese Breite trockenen Hufes überzusetzen, ist für die Pferde nicht möglich. Das wiederum erhöht das Interesse der Schaulustigen.

Diese Schaulustigen drängeln sich beim Steeple-Chase mittlerweile weit dichter als beim Fußball. Obwohl der am 22. April 1946 gegründete KSV Waregem (hervorgegangen aus zwei in den 20er Jahren gegründeten Klubs) hin und wieder den belgischen Spitzenmannschaften erstaunlich Paroli zu bieten weiß. Das Erreichen des UEFA-Cup-Halbfinales in der Saison 1985/86 ist dabei unübertroffen.

Wer dem Fußball in Waregem näher verbunden ist, geht jedoch nicht nur ins Regenboogstadion. Er fühlt sich ebenso wohl in der Gaststätte „Klauwaart“, gelegen inmitten des Zentrums und nur durch eine Straßenbreite von der Kirche getrennt. Der Wirt im „Klauwaart“ heißt Prudent Bettens. Er ist sowohl ehemaliger belgischer Internationaler als auch was für die Gegenwart wohl von noch entscheidenderer Bedeutung ist – Schwiegervater von Hans Christiaens. Deshalb schlagen die Wogen in dieser Gaststätte besonders hoch, wenn es um den KSV geht, Prudent Bettens schlug seinen Gästen zudem im Vorfeld des Rückspiels gegen Dynamo Dresden eine Wette vor. Wer auf das Weiterkommen der Einheimischen setzte, durfte auf den fünffachen Gewinn hoffen …

Zunächst tat der Schwiegersohn alles, um den Schwiegervater zu schröpfen. Schließlich bereitete er beide Tore des KSV mustergültig vor. Dann aber war es Hans Christiaens ebenso, der die Kasse im „Klauwaart“ wieder schloß. Sein Handspiel („Was blieb mir denn anderes übrig? Ich habe doch ein ganz sicheres Tor verhindert. Vielleicht war der Ball sogar schon hinter der Linie. Wer weiß“?, so der einzige aktuelle Auswahlspieler des KSV Waregem) öffnete dagegen den Dresdnern die Tür in die nächste Runde.

Jetzt muß Prudent Bettens also wieder auf das nächste Steeple-Chase warten, um seinen Gästen eine lukrative Wette anzubieten.

-ab-

Trainer Eduard Geyer (Dynamo Dresden):

Nach dem 0:2 hing unser Weiterkommen am seidenen. Faden. Dabei haben wir darauf verwiesen, daß die Belgier ein schnelles Tor anstreben werden. Allein Pilz war es lange Zeit zu verdanken, daß es halbwegs zufriedenstellend für uns ausging. Erst nach dem 1:2 wurden wir im Mittelfeld aktiver, wobei ich Gütschows Nervenstärke loben muß. Insgesamt aber unterliefen uns zu viele Fehlabspiele. Auch konnten wir uns nicht so aus der Abwehr lösen, wie wir das vorhatten. Erst in der zweiten Halbzeit gelang uns ein ausgeglichenes Spiel. Deutlich wurde auch, daß einige Spieler nach Verletzungen Anpassungsprobleme besaßen. Natürlich fehlte Kirsten an allen Ecken und Enden.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 46/1988

Achtelfinale

Von Italiens starker Phalanx wurde nur der AS Rom besiegt!

Respekt und Anerkennung der Dresdner Dynamo-Mannschaft! Ihr 2:0 Erfolg über den AS Rom strahlt im hellsten Licht. Denn: In die starke, mit vier Mannschaften vertretene Phalanx der Italiener einzubrechen, gelang nur den Elbestädtern! Ebenfalls auswärts antretend, blieben SSC Neapel in Bordeaux, Intenazionale Mailand in München sowie Juventus Turin beim FC Lüttich ohne Gegentreffer siegreich. Merkmal der Hinrunde im Achtelfinale des UEFA-Pokals: „Insgesamt siebenmal zu null“! Wenn es am 7. Dezember in die Zweitauflage geht, hoffen und wünschen wir sehnlichst, daß auch die Dresdner davon profitieren. Ihre Ausgangsposition für das Treffen im römischen Olympiastadion ist ermutigend – sehr ermutigend sogar!

Achtelfinale, Hinspiel am 23.11.1988
SG Dynamo Dresden2:0 (1:0)AS Rom
Ronny TeuberFranco Tancredi
Andreas DiebitzFulvio Collovati
Uwe KirchnerSebastiano Nela GK
Frank LieberamEmidio Oddi GK
Andreas TrautmannBruno Conti 60' Andrade
Matthias DöschnerStefano Desideri
Hans-Uwe PilzManuel Gerolin
Jörg StübnerGiuseppe Giannini
Torsten Gütschow GK 61' Matthias SammerRoberto Policano GK
Ulf Kirsten 87' Uwe JähnigRuggiero Rizzitelli
Ralf MingeRudi Völler
Trainer: Eduard GeyerTrainer: Nils Liedholm
Schiedsrichter:Gérard Biguet - Zagni, Legrain (alle Frankreich)
Zuschauer:36.000 im Dynamostadion in Dresden
Tore:1:0 Torsten Gütschow (14. / Elfmeter), 2:0 Ralf Minge (82.).
Leistung des SchiedsrichtersDem 42jährigen FIFA-Referee aus Jarny wurde ein Höchstmaß an Kondition abverlangt. In zahlreichen Freistoßentscheidungen (und bei Abseits!) wider- sprüchlich. Tolerant gegenüber Völler (Ermahnung nach Handspiel in torgefährlicher Situation/1.) und Policano (grobe Fouls nach vorheriger Verwarnung!).
Statistik:Torschüsse: 9:7 (5:4); verschuldete Freistöße: 27:24 (13:12); Eckbälle: 4:4 (3:2): Chancen: 5:1 (3:0); Abseits: 3:1 (1:1); Verwarnungen: Gütschow sowie Oddi, Policano, Nela (alle wegen Foulspiels); Wetter: kalt, in Intervallen starker Schneefall.
Spielbericht

Dynamo-Konsequenz hält an:

Jedem Gegner die Stirn gezeigt
Von Günther Simon
Alles, was recht ist: Bislang fanden die Dresdner Stilisten immer den Zugang zur Selbstbehauptung, egal, ob sie mit Sachlichkeit (Aberdeen), Geradlinigkeit (Waregem) oder Temperament (Roma) konfrontiert wurden!

450 EC-III-Reifeminuten liegen hinter den Elbflorenzern unbezahlbare Erfahrungen. In einem wahrlich harten Kampf lagen auch die spielerischen Vorzüge auf unserer Seite“, wies SG-Vorsitzender Alfons Saupe auf die Konsequenz der Gastgeber hin, jedem Gegner in allen Belangen die Stirn zu zeigen. Von dieser Haltung zeigte sich auch Roma-Coach Nils Liedholm beeindruckt: „Großes Kompliment für die lebendige Elf, die ein modernes Spiel zeigte.“

Was ich schon vor drei Wochen in Neapel via RAI-TV-live bei Roma kontra Partizan Belgrad sah, bestätigte sich in Dresden: EC-Herausforderungen machen die Römer zu (besonders) bissigen Wölfen! Ihre Abwehrstabilität verfestigte sich („Dagegen war es nicht leicht, Chancen herauszuspielen, was uns dennoch mehrfach gut gelang“, so Hans-Uwe Pilz). Zweikampfhärte gegen die dribbelnden oder weg sprintenden Elbflorenzer ging bis an die Grenze des Erträglichen. Und das wird im Stadio Olimpico keinen Deut anders sein, denn das italienische EC-Sextett will komplett ins Viertelfinale! Presse und Klubs sind darauf eingeschworen.

Dynamos Psycho-Hoch fußte auf Moral, Energie und Durchsetzungsvermögen. DFV-Trainer Heinz Werner lobte „die Charakterstärke, das Selbstbewußtsein der Dynamo-Elf, ihre Vorstellungen durchzusetzen“. Auf Schneeboden, bei lang anhaltenden Schauern, bei Nässe waren Kombinationen nicht herauszukreiseln. Da mußte die adäquate Synthese von ballsicherndem Kurzpaß und gradlinigen Sprints gefunden werden. Ver- ständlich, daß nicht alles Feinschliff war. Dennoch adressierten Pilz hier wie Giannini da akkurate Pässe.

Italienische Abwehrreihen auszumanövrieren, setzt zumindest zwei Dinge voraus: erstens den Mut und die Nervenkraft, sich immer wieder zu engagieren, nicht an Druck einzubüßen; zweitens individuelles Durchsetzungsvermögen, um Fehler zu provozieren und Entscheidungen vorzubereiten. Da war Kirsten zweifellos der Mann des Tages. Natürlich wußte AS um die Gefährlichkeit des Schwarzschopfes. Ein direkter und zwei absichernde Gästeverteidiger stellten den Normalfall dar. Und trotzdem entwischte Kirsten zunächst am rechten Flügel und verleitete Oddi zum Strafstoßfoul („Eine völlig korrekte Entscheidung“, urteilte der luxemburgische UEFA-Beobachter Jean-Marie Gantenbein). Und zu einer Zeit, als die Gäste vollends auf die verheißungsvolle 0:1-Ausgangsposition für das Rückspiel eingeschworen waren, nach vorn kaum noch aktiv wurden, machte Kirsten am linken Flügel wieder Oddi „zum Sündenbock Nr. 1″, wie Schlußmann Franco Tancredi sarkastisch bemerkte, Oddi verlor den Zweikampf mit Kirsten, Dribbling, Flanke und Minge-Kopfball („Das war ein Gefühl, unbeschreiblich schön“) waren das Werk von Sekunden, „Unglaublich dieser Fehler des Italieners, aber mein Kompliment für diese eiskalte Chancenverwertung“, so Lok-Schlußmann René Müller, interessierter Augenzeuge im seit Tagen ausverkauften Dresdner Emotionskessel. „Es war hart“, resümierte Ulf Kirsten kurz und knapp. Es war ihm nachzufühlen.

Was Neapel und Genua in Leipzig und Jena an Konterpfeilen im Taktik-Köcher hatten, blieb die Roma an der Elbe schuldig. Sie taktierte, setzte sich selbstredend auch im Mittelfeld immer wieder gut in Szene, nahm dort abgewehrte Kopfbälle souverän auf und schob sich schwerpunktverlagernd (Giannini, Desideri) nach vorn. Aber der hochgelobte Rizzitelli bekam keinen Stich. Conti behagte das nasse, schwere Terrain ebenso wenig wie Völler, von Trautmann in den Schatten gestellt. Ein Schuß (88.) aus 14 Metern, weit vor- bei, war die einzige Ausbeute des BRD-Internationalen. Aufmerksamkeit erregte im Angriff allein Policanos Schußkraft (und diverse Fouls dazu).

Ergo: Spielerisch erreichten die Römer nicht annähernd das Niveau der Neapolitaner und Genuesen, Dresden brauchte das nicht zu tangieren. Dynamos 37. EC-Sieg im 85. Spiel war das Werk von Teamgeist und Unerschrockenheit, eines Tabellenführers würdig!

Wiederholung ist gern gefragt

Von Jürgen Nöldner

Lang ist’s her mit der Italienerfahrung der Dresdner Dynamos. Runde 15 Jahre, in denen eine neue Ge- neration der schwarz-gelben Kreiseler heranwuchs. Damals gastierte die berühmte „alte Dame“ Juve an der Elbe mit den Meisterköchen Zoff, Marini, Capello oder Anastasi. In der Dresdner Elf tauchte mit Hartmut Schade ein Youngster auf, heute hat er selbst die Dynamo-Hoffnungen der 17-, 18jährigen unter seinen Fittichen. Kinder, wie die Zeit vergeht, dürfte manch einer im Rund in Italienerinnerungen geschwärmt haben. Denn wie lautete noch die „fuwo-Schlagzeile“? „Geyer kochte Bettega ab.“ 2:0 durch Tore von Goalgetter Hans-Jürgen Kreische und eben dem jungen Hartmut Schade zerstörten die berühmten italienischen Auswärts-Remishoffnungen. Ein Tanz auf dem Vulkan“ unsere Zeitschrift über das Rückspiel -, ihn überstanden die Dresdner im Stadio Comunale, als Wolfgang Rau und Rainer Sachse den drei Treffern von Furino, Altafini und Cuccureddu zwei zum Entsetzen der 70 000 Tifosi entgegensetzten. Nicht zu vergessen, auch der zweite Dresdner auf der Trainer-Bank hatte dieses Erfolgserlebnis: Reinhard Häfner.

Damals brauchten die Südländer sich nicht über den Wintereinbruch mokieren, diesmal sahen sie im harten Boden und ersten Flockenweiß einen Nachteil. Die äußeren Umstände“, war das geflügelte Wort bei der „Roma“. Aber wer wagt da von einem Vorteil für die eine oder andere Mannschaft zu sprechen? Schneeboden als Gift für eine angreifende Mannschaft ist ebensowenig ein Geheimnis wie natürlich die größere Ballsicherheit der Italiener auf sattem grünen Rasen, mit der sie uns wohl noch in mehr Schwierigkeiten gebracht hätten“, meinte Dynamo-Kapitän Hans-Uwe Pilz. So dürften sich die „Natur- anteile“ an der eigenen Spielleistung bei beiden Vertretungen ausgeglichen haben. Was nach meiner Meinung weitaus entscheidender war: Die Dynamos versuchten nicht das Auf-Teufel-komm-raus-Stürmen zu praktizieren, denn dabei hätten sie römischen Konterfüchsen wie Giannini oder Conti tödliche Räume geöffnet. Ob Disziplin gegenüber dem taktischen Geyerplan oder Selbsteinsicht der doch eigentlich angriffsbesessenen Dynamos bleibt gleich, die Kunst des Wartens erprobt und gelernt zu haben, ist die vielleicht neue Qualität der Dynamos in internationalen und natürlich auch nationalen Gefilden.

Eine Wiederholung des Weiterkommens wie vor 15 Jahren ist für unseren gesamten und den Dresdner Fußball insbesondere gern gefragt. Geyer und Häfner dabei als Bindeglied zweier Dynamo-Generationen. Vielleicht könnte es dann angesichts des Spaghetti-Sponsors beim römischen Nobelklub nach dem Rückspiel lauten: „Geyer kochte Barilla ab.“ Das würde aber schmecken.

Trainer Eduard Geyer (Dynamo Dresden): Sieg ohne Gegentor – das zählt!

Wie groß war der Druck, alleiniger EC-Repräsentant zu sein?

Wir befaßten uns wenig damit, denn an das Ziel unserer Wünsche mußten wir gegen AS Rom ohnehin durch uns selbst.

Entsprachen die Italiener Ihren Beobachtungen beim 1:1 in Cesena?

Durchaus, wenngleich sie in Dresden noch mehr Wert auf eine stabile Abwehr legten, jedes Risiko zu vermeiden suchten.

Drei Heimsiege und 8:1 Tore müssen Sie doch glücklich stimmen?

Natürlich, aber zu Hause ohne Gegentor zu gewinnen, davon muß man im Europapokal schließlich ausgehen. Wir haben mit dem 2:0 ein hoffnungsvolles Resultat erreicht, das zählt. Aber es ist erst Halbzeit, woran ich mit Nachdruck erinnere.

Was imponierte Ihnen am stärksten an Ihrer Elf?

Zunächst die taktische Disziplin und danach ihre Haltung, um jeden Ball zu kämpfen. Daraus resultierten auch unsere Vorteile im Umkehrspiel über volle 90 Minuten. Die Moral stimmte. Außerdem sah ich gute spielerische Ansätze.

Wie fällt ein Urteil zu den bisherigen drei Widersachern aus?

Aberdeen war verhältnismäßig leicht auszurechnen. Bei Waregem mußten wir sowohl auf Kombinationen achten als auch Wucht und Kraft wegstecken. Spielkulturell sind die Römer dagegen eine ganz andere Größenordnung. Sie auszurechnen, fällt sehr viel schwerer.

Welche Schlußfolgerungen liegen Ihnen nach dem 2:0 auf den Lippen?

Das 2:0 war gerecht, auch von den Chancenanteilen her. Ich sah aber auch Ungereimtheiten beim Spielaufbau, was die Präzision anbelangt. Zum erstenmal auf Schneeboden zu spielen, war ohnehin nicht leicht. In Italien wird es sehr viel schwerer werden, in der Abwehr 90 Minuten fehlerfrei zu spielen. Da muß eine kollektive Aktivität ins Spiel kommen, wie noch in keinem anderen Treffen in dieser Saison.

Der Sieg gegen die Römer war das Verdienst jedes einzelnen und der ganzen Mannschaft. In der Folge von Neapel, Genua und nun Rom wollten wir natürlich ein erfolgreiches Spiel machen. Das erwartete man schließlich in nah und fern von uns. Da ist man besonders froh, spielerisch und kämpferisch vor einem tollen Publikum überzeugt zu haben. -gs-

Wie spielte die Konkurrenz von Dynamo Dresden? Frühzeitig schlug Neapel zu

Italiens Sportpresse hatte Donnerstag ihren großen Tag. „Drei strahlende Auswärtssiege. Nur die Roma tanzte an der Elbe aus der Reihe. Schade!“ So „Gazetta dello Sport“. Und „Corriere della Sera“ bemerkte: ,,Ausgerechnet die Dresdner brachen in unsere glanzvolle EC-Streitmacht ein. Kirsten wurde zum Roma-Alptraum.“ Keine Frage, angesichts der Zu-Null-Erfolge von Neapel, Inter und Juventus gewann das 2:0 der Dynamos noch zusätzlich an Wert und Aufsehen!

Bayern München – Inter Mailand 0:2 (0:0): „Was Inter bot, war Catenaccio in vollendeter Form“, bekannte Bayern-Kapitän Augenthaler. „Hilflos, wir fanden kein Mittel“, klagte Trainer Heynckes, der am Ende trotz klarer Feldvorteile nur zwei Chancen (Wegmann, 65., Reuter Lattenschuß, 49.) registrierte. „Wir lockten die Münchner förmlich heraus und konterten“, strahlte Matthäus, der mit Brehme den Erfolg bei ihrem ehemaligen Verein besonders genoß. Imponierend, das souveräne Abwehrspiel der Gäste, die mit zwei Viererketten Sperrfeuer legten. Dahinter dirigierte Bergomi, vorn war Serena die einzige Spitze. Er zog bei seinem Tor (60.) kurz hinter der Mittellinie allein los, ließ Aumann keine Chance. Berti gar trat nach Augenthalers Fehler aus der eigenen Hälfte unwiderstehlich an und schüttelte auf dem Weg zum 2:0 (71.) im Sprint über 80 Meter (!) alles ab.

Girondins Bordeaux – SSC Neapel 0:1 (0:1): Die Blitztaktik der Gäste, zuvor bereits daheim gegen den 1. FC Lok mit Erfolg praktiziert, schlug wiederum ein. Maradona, wer sonst, spielte Carnevale links frei, und dieser ließ Schlußmann Dropsy keine Chance (6.). „Damit hatten wir unser Ziel, ein Tor, erreicht und Bor- deaux entscheidend geschockt“, urteilte Gäste-Trainer Bianchi. Danach begehrten die Platzherren zwar vor 30 000 Zuschauern auf (Tigana, Scifo, Stopyra, Ferreri), aber Napolis Abwehr um Renica, Francini stand unerschütterlich. Eine Privatfehde zwischen Roché und de Napoli beendete Referee Tritschler (BRD) mit Platzverweis für beide (56.).

FC Lüttich-Juventus Turin 0:1 (0:1): „Das 3:5 gegen Neapel hinterließ keine Spuren. Die Elf spielte kühl, klar und ohne Fehler“, lobte Juve-Trainer Zoff seine Mannen. Altstar Altobelli (18.), vor der Serie von Inter gekommen, schoß nach Flanke von de Agostini das entscheidende Tor, das die Abwehr um Tacconi, Favero, Brio und Galia sicher über die Zeit brachte.

FC Groningen-VfB Stuttgart 1:3 (0:3): „Wir liefen Stuttgart förmlich in die Falle.“ So Groningens Trainer Koeman, dessen Söhne Ronald (Eindhoven) und Erwin (Mechelen) im Vorjahr EC-Siege einheimsten. Für ihn dürfte das 1:3 das Stoppzeichen gewesen sein. Der 30-Meterschuß von Libero Allgöwer, der Keeper Tukker überraschte (18.), trieb die Gastgeber zu unvorsichtig nach vorn. Die Folge waren zwei Konter- treffer durch Gaudino (33., 40.). Dem dunkelhäutigen Meijer gelang nur das Ehrentor (83.).

Real Sociedad San Sebastian gegen 1. FC Köln 1:0 (1:0): Einwechsler Goinaz bestrafte einen Fangfehler des unsicheren Auswahltorhüters Illgner mit dem Tor des Tages (71.). „Wir kamen glimpflich davon“, ge- stand Kölns Trainer Daum nach der umkämpften, emotionsgeladenen Partie im Atocha-Stadion. Allofs be- saß die einzige Chance für die Gäste, die zu reserviert agierten. Geführt von Routinier Zamora, vergaben die Basken noch eine Reihe von Chancen.

Viktoria Bukarest-Turku PS 1:0 (1:0): Das frühe Führungstor, das Ursu (4.) nach Eckball per Kopf erzielte, ließ Schlimmes für die Finnen ahnen, zumal Culcear und Damaschin danach weitere klare Chancen besaßen, aber vergaben. Die Gäste aus dem Norden, im Schnitt weit über 1.80 m groß, stellten sich jedoch geschickt auf das quirlige Spiel der Rumänen ein. Außerdem hatte Torhüter Eckerman einen Glanztag.

Hearts of Midlothian Edinburgh gegen Velez Mostar 3:0 (1:0): Riesenjubel im altehrwürdigen Tynecastle Park, wo Colquhoun in der 90. Minute mit dem dritten Treffer den eindrucksvollen Schlußpunkt setzte. Auf tiefem, weichem Boden hielten die technisch starken Gäste nur in der ersten Hälfte mit, und Tuce hatte starke Szenen im Angriff. Druckvoller, leidenschaftlicher jedoch die Platzherren. Bei ihnen setzte Routinier Bannan (17.), lange in englischen Klubs tätig, das erste Signal. Golloway traf nach ihm (56.).

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 48/1988

Mit spielerischem Selbstbewußtsein!

Noch eine Woche zuvor durch die Istanbuler Niederlage im Vertrauen zur Leistungsfähigkeit unseres Fußballs stark erschüttert, waren Bedenken über den Ausgang des Achtelfinal-Vergleichs im UEFA-Pokal zwischen Dynamo Dresden und AS Rom völlig un- begründet. Wie sich das hört und liest: zweimal 2:0 gegen diesen Partner internationalen Formats aus der starken italienischen Phalanx! Und niemand wird bezweifeln können, daß die Elbestädter mit dem Hinspiel-Sieg im Rücken im römischen Olympiastadion jenes spielerische Selbstbewußtsein demonstrierten, um das wir gerade in jüngster Vergangenheit immer wieder vergeblich rangen. Respekt und Anerkennung verbinden sich mit dem guten Gefühl, im Viertelfinale keinen Kontrahenten fürchten zu müssen. Das sollte die Gedankengänge vor der an diesem Freitag erfolgenden Auslosung für die nächsten Aufgaben am 1. und 15. März kommenden Jahres bestimmen!

Achtelfinale, Rückspiel am 07.12.1988
AS Rom0:2 (0:0)SG Dynamo Dresden
Franco TancrediRonny Teuber
Fulvio CollovatiAndreas Diebitz
Sebastiano NelaUwe Kirchner
Antonio Tempestilli GKFrank Lieberam GK
Bruno Conti GKAndreas Trautmann
Stefano DesideriMatthias Döschner
Manuel GerolinHans-Uwe Pilz 46' Ralf Hauptmann
Giuseppe GianniniMatthias Sammer
Roberto Policano GKJörg Stübner GK
Rudi VöllerTorsten Gütschow
Renato GaúchoUlf Kirsten
Trainer: Nils LiedholmTrainer: Eduard Geyer
Schiedsrichter:Helmut Kohl - Adanitsch, Opitz (alle Österreich)
Zuschauer:30.336 im Olimpico in Roma
Tore:0:1 Torsten Gütschow (70.), 0:2 Ulf Kirsten (80.).
Leistung des SchiedsrichtersZur Leistung des Nussdorf Haunsberger Referees gab es sehr unterschiedliche Meinungen. Insgesamt aber überwogen die Stimmen, die dem 45jährigen FIFA-Schiedsrichter eine gute Tätigkeit bescheinigten. Nach Nelas Foul an Stübner den Dresdner wegen „Schauspielerei" zu verwarnen. war ein Witz. Da stand Nela vor Rot und sah nicht einmal Gelb! Stübner und Lieberam sind nun für das Viertelfinal-Hinspiel im kommenden Jahr gesperrt.
Statistik:Torschüsse: 6:5 (3;2); verschuldete Freistöße: 23:21 (11:10): Eckbälle: 6:4 (3:2); Chancen: 3:5 (1:2): Abseits: 2:3 (1:2): Verwarnungen: Tempestilli, Policano. Conti (alle wegen Foulspiels) und Lieberam (wegen Zeitspiels), Stübner (wegen unsportlichen Verhaltens): Wetter: Temperaturen um 15 Grad plus, kein Wind.
Spielbericht

Taktisch ausgewogenes Spiel:

Viele Einfälle keine Ausfälle
Von Rainer Nachtigall
Auswärtserfolge in EC-Wettbewerben haben in unseren Breiten den Charakter einer ausgesprochenen Rarität. Kein Wunder, daß man versucht ist, ein Andenken an solches Spiel zu ergattern. Den Vogel schoß dabei fraglos der Dresdener Libero Frank Lieberam ab. „Ich habe den Schiedsrichter im Gang angesprochen, ob er mir vielleicht den Spielball überlassen würde, und zu meiner Überraschung hat er mir ihn in die Hand gedrückt.“ Lieberam wird ihm sicherlich einen Ehrenplatz in seinem Trophäenschrank geben, wenn er einen solchen eingerichtet haben sollte. Im Gedächtnis wird diese Partie aber auch allen anderen bleiben.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand, Dynamo Dresden führte im römischen Olympiastadion alle jene Kritiker ad absurdum, die da meinen, unsere Klubmannschaften seien außerstande, internationaler Konkurrenz von Format erfolgreich die Stirn zu bieten. Trainer Eduard Geyer wußte selbstredend am besten, daß das 2:0 aus dem Hinspiel kein Liegepfuhl sein würde. Dementsprechend hatte er seine Männer eingestellt. Verdichten, keine unnötigen Fouls begehen, selbst Konter setzen, Abschlußaktionen zustande bringen etwa lautete die Formel, mit der man die hochmotivierten Römer aus dem Rhythmus bringen wollte, Nichts umwerfend Neues. Aber wie die Dynamos ihre Marschroute umsetzten, flexibel, den Kopf oben behaltend, vor allem die Abwehrspieler, immer auf dem „Sprung“, die Post auch nach vorn abgehen zu lassen, das war beeindruckend. „Wenn wir schon gegen internationale Konkurrenz von der unbestrittenen Klasse eines Giannini, Conti, Renato oder Völler mithalten wollen, dann setzt das voraus, daß wir keinen Ausfall haben“, so Trainer Eduard Geyer.
Den hatten die Schwarz-Gelben in der Tat nicht, Einige warteten sogar mit Steigerungsraten auf, wie das in einem solchen EC-Spiel eigentlich unumgänglich sein sollte. Voran Sammer. Trainer Liedholm sang sein Loblied nach den 90 Minuten in den höchsten Tönen, sprach von vielen „talentierten Spielern in den Reihen des Gegners“, gegen die zu bestehen auch bei einem anderen Hinspielresultat schwer gewesen wäre, sah in Sammer indes den überragenden Akteur. Für den variabel einsetzbaren jungen Mann wird es nach den 90 Minuten von Rom sicherlich ein Problem geben: er wird sich an dieser Leistung messen lassen müssen. Gemeinsam mit dem eingewechselten Hauptmann, mit Döschner, der bei zwei, drei Flügelsprints sein Stürmerblut erkennen ließ, produzierte er jene Einfälle im Dresdener Aufbauspiel, die die Römer vor allem im zweiten Durchgang vor – wie sich zeigen sollte – unlösbare Rätsel stellten.

Dies alles festzustellen heißt nicht, daß Dresden nicht auch hätte scheitern können. Der Grat zwischen Erfolg und Mißerfolg in einer solchen Begegnung ist bekanntermaßen schmal, den Dresdener „Kletterkünstlern“ indes wurde niemals schwindlig. Vor allem nicht in jener Phase, als die Männer um Kapitän Giannini nach der Pause bedingungslos die Offensive suchten. Es wird dem Beobachter ohnehin ein Rätsel bleiben, warum Liedholm die Partie sozusagen mit eineinhalb Stürmern (Völler in der Spitze, Renato zehn Meter nach hinten versetzt) begann. Möglicherweise kalkulierte er dabei ein, daß die Dresdener Angreifer immer in der Lage sind, einen Konter „auf den Punkt“ auszuspielen.

Nach der Pause indes war zumindest von der Ausgangsposition alles klar: Rom mußte kommen. Die Mannschaft tat das mit beiden Außenverteidigern, Giannini, von Stübner,,zugedeckt“, spielte eigentlich nur noch Mittelstürmer, Conti kurbelte, was das Zeug hielt. Da entstanden sicherlich ein paar kritische Situationen“, gab hinterher Torsteher Teuber zu, der mit einigen tollen Paraden unter anderem bei Policanos Weitschuß (45.) sein Können nachhaltig gezeigt hatte, „insgesamt aber konnten wir wohl auch in dieser Partie unterstreichen, daß wir im Hinblick auf unsere Abwehrkonzeption auf dem richtigen Dampfer‘ sind“. Nichts spricht mehr für die Dresdener als die Art und Weise, wie sie den Dampf aus dem römischen Kessel ließen.

Als Gütschow schließlich wie eine Feder hochstieg, einen Eckball gegen den falsch postierten Tancredi im gegnerischen Gehäuse unterbrachte, gab es über den Ausgang des Spiels keinen Zweifel mehr. In den letzten 20 Minuten, frei von allem nervlichen Druck, ließen die Dresdener den Kontrahenten laufen, daß es eine Freude war. Wie hatte doch Reinhard Häfner so schön vor dem Spiel gesagt? „Die kochen doch auch nur mit Wasser!“ Mit etwas anderem wirklich nicht!

Renato und Rom

Joao Saldanha, einer der bekanntesten Fußballkolumnisten Brasiliens und eine Zeitlang auch Auswahl- trainer des Landes, schrieb nach Bekanntwerden des Wechsels von Renato nach Italien: Er wird niemals der König von Rom werden, er spielt heute so, wie man vorgestern gespielt hat.“ Daß Saldanha danach Drohbriefe von den Flamengo-Fans in Serie bekam, läßt sich denken. Diese waren kurz zuvor noch mit Spruchbändern auf die Tribünen gezogen, in denen sie ihren Liebling aufgefordert hatten, in Brasilien zu bleiben. Um jeden Preis. Der Preis, den ihm allerdings AS Rom zahlte, war so hoch, daß Renato nicht einen Augenblick zögerte.

Renata Portaluppi, am 19. September 1962 in Guapore im Staate Rio Grande do Sul geboren, begann mit dem Fußballspielen, als er sieben Jahre alt war. Freimütig erzählt er aus seinen Flegeljahren: „Ich habe Fußball gespielt, solange es hell war, den ganzen Tag. Zu Hause klemmte ich mir ein paar unter den Arm und machte mich auf den Weg zur Schule, am Ende landete ich immer wieder auf irgendeinem Fußballplatz.“ Das Talent Renatos wurde früh erkannt, „Späher“ lotsten ihn zu Gremio Porto Alegre, wo der damals 18- jährige nur zwei Monate in der Jugendmannschaft spielte. Danach wurde er Profi. Sein zweifellos größter Erfolg: der Gewinn des brasilianischen Meistertitels mit Gremio im Jahre 1983. Anschließend gewann er mit der gleichen Mannschaft nicht nur die Copa Libertadores“, den Südamerikacup der Landesmeister, er holte sich mit Gremio auch den Weltcup. Es waren die größten Erfolge im Verlaufe meiner bisherigen Karriere. An das Spiel um den Weltcup denke ich ganz besonders gern zurück, weil ich dabei als bester Spieler ausgezeichnet wurde.“

In Brasiliens Auswahl kam der aus hängender Position spielende Renato indes niemals richtig zurecht. Noch in Vorbereitung auf das Turnier in Mexiko 1986 gehörte er zum Aufgebot Brasiliens, das im Frühjahr 1986 seine Visitenkarte in Europa abgab. In der Partie gegen Ungarn war er trotz einer klaren Niederlage der mit Abstand Beste in den Reihen der Südamerikaner. Als Trainer Tele Santana dann indes seine Schäfchen für Mexiko sammelte, war Renato nicht mehr dabei. „Er kann sich nicht durchbeißen“, hieß die offizielle Version für das Fernbleiben Renatos, der lieber die bekannten Diskotheken in Rio aufsuchte, als sich auf dem Fußballplatz zu schinden.

Nun also ist Renato in Rom. Mag sein, daß er nach längerer Verletzung einfach noch nicht in Bestform sein kann. Und natürlich war auch nicht zu übersehen, daß der hochgewachsene Schwarzschopf am Ball perfekt ist. Aber der König von Rom, so wurde Falcao genannt, der maßgeblich an Renatos Wechsel beteiligt war, wird er wohl niemals werden. Das hat seinerzeit nicht nur Joao Saldanha richtig vorausgesehen… R. N.

Wie spielte die Konkurrenz von Dynamo Dresden?

Auch St. Ambrosius half nicht

Italiens Presse zog letzten Donnerstag alle Register von zu Tode betrübt bis himmelhoch jauchzend. „Roma zweimal 0:2 durch Dresden regelrecht entzaubert. Inter Mailand brachte der Hochmut gegen die Münchner zu Fall“, war bei „Gazetta dello Sport“ zu lesen. „Juventus und Neapel rechtfertigten das Vertrauen, aber verdecken können sie den Fall von Rom und Inter nicht“, formulierte „Corriere della Sera“.

Inter Mailand – Bayern München 1:3 (1:3) – 2:0. Bereits zur Pause lähmendes Entsetzen im Meazza“. Tabellenführer Inter, der zuvor in acht Punktspielen erst drei Gegentore kassiert hatte, mußte die gleiche Anzahl innerhalb von acht Minuten (!) hinnehmen. Und das am Stadtfeiertag des heiligen Schutzpatrons St. Ambrosius! „Die Mannschaft war mit ihren Gedanken schon beim sonntäglichen Lokalderby gegen „Mi- lano“, urteilte Inter-Trainer Trappatoni, der nur dem Torschützen Serena (45.) Bestform bescheinigte. Brehme mußte wegen eines Muskelfaserrisses ausscheiden. Bayern-Trainer Heynckes machte aus der Not, dem 0:2 vom Hinspiel, eine Tugend. Er bot einen Dreier-Angriff mit Ekström-Wohlfahrt (1:0/33.) – Wegmann (3:0/40.) auf. Augenthaler traf per Kopf (38.). Als die Mailänder im zweiten Abschnitt verzweifelt stürmten, wies Torhüter Aumann seine Klasse mehrfach nach.

Juventus Turin – FC Lüttich 1:0 (1:0) – 1:0. „Weltmeister“ Cabrini, nach langer Verletzungspause erst seit kurzem wieder dabei, vereitelte mit seiner Rettungstat auf der Linie (34.) die einzige Chance der Gäste. Ansonsten dominierten die Gastgeber in allen Belangen, vornweg Rui Barros, Cabrini, Mauro, Galia, Alt- star Altobelli, der mit seinem Wechsel (von Inter) nichts an seiner Torgefährlichkeit einbüßte, schoß wie beim Hinspiel „sein“ Tor. Vorstopper Brio fehlte erkrankt, Auswahlspieler de Agostini saß nur auf der Bank! Der Erfurter Adolf Prokop absolvierte souverän das letzte EC-Spiel seiner Laufbahn.

SSC Neapel – Girondins Bordeaux 0:0 1:0. Wer will die Maradona-Elf im San Paolo schlagen?“ Girondins-Regisseur Tigana fragte das nach Abpfiff dieser Partie, die dank der vorzüglichen Abwehrarbeit der Renica, Francini, Ferrara souverän von den Gastgebern gestaltet wurde. „Wir riskierten nichts, Bordeaux fand keinerlei Mittel“, urteilte Neapel-Trainer Bianchi. Die Franzosen bekamen bereits in der 2. Minute den entscheidenden Knacks. Thouvenel wurde wegen Nachschlagens gegen Careca, der später verletzt ausschied (25.), vom englischen Referee Midgley vom Platz gestellt.

1. FC Köln-Real San Sebastian 2:2 (2:1) – 0:1. „Der eine verlor den Kopf, der andere die Nerven“, klagte Kölns Trainer Daum nach dem harten Fight (sieben Verwarnungen). Nach Engels‘ unmotivierter Kopfballrückgabe konnte Torhüter Illgner Itturino nur noch durch Foul stoppen, das anschließend von Goi- coechea per Strafstoß (36.) geahndet wurde. Das war eine Ernüchterung für die Gastgeber, die furios und erfolgreich durch Götz (4.) und Engels (29.) 2:0 gestartet waren. Als auch noch Allofs mit einem Foulstraf- stoß am ehemaligen Auswahl-Keeper Arconada scheiterte (71.), bekamen die spanischen Abwehr- und Konterspezialisten endgültig Oberwasser. Fuentes, von Trainer John Toshack, dem einstigen Waliser Auswahlstürmer, in der 75. Minute eingewechselt, sorgte mit seinem Treffer (90.) endgültig für klare Ver- hältnisse.

VIB Stuttgart-FC Groningen 2:0 (1:0) 3:1. Auswahlspieler Klins- mann, der beim 3:1-Hinspielsieg ohne Torerfolg geblieben war, wurde diesmal seinem Ruf als Torjäger vollauf gerecht. Er schoß beide Tref- fer (22, 52.) für die Schwaben, die im Jugoslawen Katanec, in Allgö- wer, Buchwald und dem Isländer Sigurvinsson ihre besten Kräfte hat- ten. Bei den enttäuschenden Nieder- ländern war Schlußmann Tukker stärkster Mann.

Turku PS-Viktoria Bukarest 3:2 (1:2) 0:1. Wir hätten wohl doch ** auf Schnee spielen sollen“, meinte enttäuscht und sarkastisch Turkus Trainer Liedholm eingedenk der Rå- senheizung, die in die tiefverschneite Landschaft eine grüne Oase gezau- bert hatte. Riesenpech für die mit viel Elan aufspielenden Platzherren: Zuerst wurde ein haltbarer Freistoß von Solomon (16.) durch die Mauer unerreichbar für Torhüter Ekkerman abgefälscht, dann bugsierte Häkki- nen den Ball zum 0:2 ins eigene Netz (36.). Imponierend, wie Turku aufzubegehren wußte, aber über einen Achtungserfolg durch Tore von Rajamäki (36.), Halonen (51.) und Jalo (90.) nicht hinauskam.

Velez Mostar-Hearts of Midlothian 2:1 (1:0) 0:3. Als Tuce früh das 1:0 gelang (30.), keimte Hoffnung auf bei den Gastgebern, die ohne Sactic (Rote Karte) und Barbaric, Si- sic (2. Gelbe) auskommen mußten. Die Schotten, abwehrstark und diszipli- niert spielend, hielten jedoch kühl dagegen und konterten erfolgreich (Golloway, 65.). Erst in der 88. Minute gelang Gudelj das 2:1.

Stimmen zum Spiel in Rom:

Dresden räumte alle Zweifel aus dem Weg

La Gazetta dello Sport“: Wunder wiederholen sich nicht. Die Gelbroten haben 70 Minuten vergeblich das Tor gesucht, dann löschte Gütschow ihre Hoffnungen endgültig aus, Völler war der einzige, der den Anforderungen noch einigermaßen gerecht wurde.

Corriere della Sera“: Die Dresdener waren eine sympathische Mannschaft. Niemand kann ihre fußballerischen Fähigkeiten in Frage stellen, zu denen sich auch etwas Glück gesellte. Eine verletzliche Verteidigung der Gelbroten, verbunden mit einer zu durchsichtigen. Offensive, ließen das Zünglein der Waage zugunsten der Gäste ausschlagen.

La Stampa“: Es war eine Römer-Notbesetzung. Es war ein Rom, das auf einige Schlüsselspieler baute, und genau die haben enttäuscht. Die Gäste haben überlegt, ohne übertriebene Härte und mit perfekter Deckung gespielt

Il Messaggero“: Nachdem Dynamo auf dem Schnee von Dresden schlitternd gewann, schloß es das Konto mit einem weiteren 2:0 ab und räumte damit alle Zweifel aus. Dieses Resultat war gerecht, und die Schuld am Ausscheiden hatten also weder der Schnee noch Verteidiger Oddi. Gestern gab es im Olympiastadion Sonne und keinen Oddi, Rom hatte den guten Willen, fand aber zu keinem Spiel. Dynamo Dresden ist eine Ausnahmeformation. Die Elf kann verteidigen, sich im Mittelfeld gut bewegen und einen soliden Angriffsfußball spielen, dank einiger gutklassiger Spieler insbesondere Sammer, Dynamo hat Rom angreifen, Energie verlieren und allmählich verlöschen lassen. Dann hat es das Spiel in die Hand genommen und den Sieg gemacht.

Rudi Völler (BRD-Auswahlspieler): Dynamo hat die Qualifikation verdient. Wir waren nicht in der Lage, in zwei Spielen einen Treffer zu schießen. Es wäre absurd, jetzt noch nach irgendwelchen Entschuldigungen zu suchen.

Trainer Nils Liedholm (AS Rom): Ich war mir schon in Dresden über den Wert der gegnerischen Mannschaft im klaren. Dresden hat eine gute Deckung und uns wenig Möglichkeiten gegeben.

Trainer Eduard Geyer (Dynamo Dresden)

Über den eigenen Schatten springen!

Es ist leicht, über Taktik zu reden, wenn man gewonnen hat. Ist aufgegangen, was sich die Mannschaft für das Rückspiel vorgenommen hatte?

Wir waren uns im klaren darüber, daß man bei solch einem Kontrahenten trotz des scheinbar klaren Vorsprungs auch ausscheiden kann. Fußball ist ja schließlich auch von einigen unwägbaren Faktoren abhängig. Was wir aber auf jeden Fall erreichen wollten, war eine Leistung, nach der wir mit erhobenem Kopf aus dem Stadion gehen konnten.

Sie sprachen im Vorfeld dieser Begegnung vom Beispiel des AC Turin, der hier in Rom im Punktspiel mit zwei scharfen Spitzen und einer kompakten Abwehr zum Erfolg gekommen war. Inwiefern?

Das war tatsächlich der Fall, und ich verhehle nicht, ebenso vorgehen daß wir ebenso wollten. Unser Erfolg war auch diesmal das Resultat einer ausgesprochenen Mannschaftsleistung, aus der Sammer und Teuber noch herausragten. Was letztlich vor allem zählt in einem solchen Vergleich: Wir hatten keinen Ausfall, Einen solchen kann man sich gegen AS Rom auch gar nicht leisten, wenn die nächste Runde erreicht werden soll.

Dresden sicherte sich überzeugend die Herbstmeisterschaft. Hat das Abschneiden im Titelkampf Auswirkungen auf die EC-Spiele?

Im Grunde genommen sind das natürlich zwei grundverschiedene Aufgaben. Aber klar ist auch, daß eine in der Meisterschaft angeschlagene Mannschaft weniger Selbstvertrauen in EC-Spielen entwickeln wird, als wir das in unserer derzeitigen Situation können.

Dynamo ist seit Jahr und Tag eine Spitzenmannschaft in unserer Republik. Gibt es ein spezielles Rezept, nach dem Dresdener Spieler immer wieder ganz nach oben geführt werden?

Da gibt es sicherlich eine Menge Faktoren, die zu nennen sind. Ich denke beispielsweise die technische Grundausbildung unseres Nachwuchses, und dazu zählt sicherlich auch das spezielle athletische Training. Für mich entscheidend aber ist ein anderes Kriterium. Es kommt darauf an, die Spieler zu bewegen, in den entscheidenden Begegnungen wie in EC oder in Länderspielen über den eigenen Schatten zu springen. Nur auf Grundlage ist letztlich ein solcher Erfolg wie der in Rom zu sichern. R. N.
Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 50/1988

Viertelfinale, Hinspiel am 28.02.1989
Victoria Bukarest1:1 (0:1)SG Dynamo Dresden
Gheorghe NiţuRonny Teuber
Victor CojocaruUwe Kirchner
Ştefan BălanAndreas Trautmann
Costel SolomonMatthias Döschner GK
Dorian Ştefan GKRalf Hauptmann GK
Fănel ŢîrăMatthias Maucksch
Emil Ursu GKHans-Uwe Pilz 68' Uwe Jähnig
Dan Daniel 46' Cornel MireaMatthias Sammer
Marcel CoraşTorsten Gütschow 67' Steffen Büttner
Sándor Kulcsár 39' Marian DamaschinUlf Kirsten 2' RK
Adrian Ursea GKRalf Minge
Trainer: Florin HalagianTrainer: Eduard Geyer
Schiedsrichter:David Syme - Mottram, Yuill (alle Schottland)
Zuschauer:12.000 im Florea Dumitrache in Bukarest
Tore:0:1 Torsten Gütschow (24.), 1:1 Costel Solomon (48.).
Leistung des SchiedsrichtersDer Schotte überraschte bereits in der zweiten Minute mit dem Feldverweis für Kirsten, bei dem ihm aus nächster Nähe und den sichtbaren Auswirkungen wohl keine andere Wahl blieb, als sich der Dresdner von den ihn festhaltenden Stefan losriß und dabei mit dem Ellenbogen zu Boden streckte.
Statistik:Torschüsse: 11:1 (5:1); verschuldete Freistöße: 17:19 (8:7) Eckbälle: 11:3 (4:2); Chancen: 6:1 (2:1); Abseits: 0:4 (0:3); Feldverweis: Kirsten (2./wegen Tät- lichkeit); Verwarnungen: Stefan, Ursu und Ursea sowie Hauptmann (alle wegen Foulspiels), Döschner (wegen Unsportlichkeit); Wetter: frühlingshaft warm, Sonnenschein.
Spielbericht

Kompliment den wackeren Dynamo-Zehn
Von Manfred Binkowski

Eduard Geyers Nervenkostüm wird in diesem Jahr arg strapaziert. Nicht nur, daß er vor dem Viertelfinal-Hinspiel in Bukarest völlig im dunkeln tappte, fast nichts über den Kontrahenten wußte, mußte er ja auch noch neben dem verletzten Diebitz die nach zwei Verwarnungen gesperrten Lieberam, immerhin den Libero, und Stübner, einen Nationalspieler, ersetzen. Dann kam gleich nach zwei Minuten noch der Keulen-schlag mit dem Feldverweis für Kirsten. Ein Kompliment der verbliebenen Dynamo-Zehn, wie sie das weggesteckt und sich wacker geschlagen hat!

Nun wird wohl niemand erwarten, daß eine Mannschaft mit zehn Mann und obendrein in einem Auswärts-Hinspiel Angriffsfußball spielt. Doch die Schwarz-Gelben suchten ihr Heil nicht nur in der Abwehr, obwohl die ihnen mit ihrem sicheren Agieren zusehends Sicherheit verlieh. Allen voran einmal mehr Schlußmann Teuber, der Souveränität ausstrahlte, und Trautmann, der Torjäger Coras zur Wirkungslosigkeit verurteilte, nur einen einzigen Torschuß nach einem Eckball gestattete (66.). Zudem lieferte Minge wiederum eine unglaubliche Fleißpartie. Er half in der Abwehr mit seiner Kopfballstärke und Einsatzbereitschaft, versuchte im Mittelfeld Ruhepunkte zu setzen und eigene Aktionen einzuleiten, was auch Sammer gut gelang, und fühlte sich noch stets als zweite Angriffsspitze angesprochen. So war er am Führungstreffer entscheidend beteiligt. Schade, daß drei Minuten vor dem Abpfiff Jähnig, den Hauptmann mit einem Steilpaß am rechten Flügel auf die Reise geschickt hatte, den vor dem Tor völlig freistehenden Minge nicht sah…

Zwischen beiden Szenen spielte sich das Geschehen allerdings überwiegend in der Hälfte der Gäste und vor ihrem Tor ab. Zum Glück verfügt Victoria offensichtlich nicht über jenes Können und jene Cleverneß, um einen frühzeitig geschwächten Gegner trotz aller optischen Vorteile in die Knie zu zwingen. „Die Dresdner haben eine überzeugende Abwehrleistung geboten. Sie konnten nur selten in Verlegenheit gebracht werden“, war in „Sportul“ zu lesen. „Wir haben es heute einfach nicht verstanden, uns noch mehr Chancen zu erspielen und wenigstens zwei, drei kaltblütig zu nutzen. Das Dynamo-Tor wurde hervorragend abgeschirmt. Coras kam überhaupt nicht zur Geltung“, konstatierte Trainer Florin Halagian.

Eduard Geyer blieb diesem Dienstagnachmittag wirklich nichts erspart. Auch die zweite Halbzeit begann mit einem Schock. Maucksch in seinem ersten EC-Spiel (zehn Oberligaeinsätze) und Kirchner waren nicht entschlossen genug, das Leder aus der Gefahrenzone zu befördern, prompt schoß Solomon dazwischen und erzielte aus Nahdistanz den Ausgleich. „Danach kam es für uns natürlich vorrangig darauf an, wenigstens das Unentschieden zu behaupten. Das hat die Mannschaft mit einer lobenswerten Einsatzbereitschaft sehr gut gemacht“, war der Trainer nach all diesen Mißgeschicken schließlich doch noch einigermaßen zufrieden.

Die zweiten 45 Minuten gestalteten sich für die Elbestädter überwiegend zu einer Abwehrschlacht. Die unentwegten Angriffsbemühungen des ins Mittelfeld vorgerückten Kapitäns und Liberos Solomon fielen zum Glück auf wenig fruchtbaren Boden. Ursu und insbesondere der eingewechselte Damaschin erzielten zwar einige Wirkung, doch keinen weiteren Treffer. Die Dynamo-Abwehr gab sich keine Blöße mehr. Was dennoch bis zum Tor kam, wurde eine sichere Beute von Teuber, der vor allem gegen Solomon (56.) und mit einer reaktionsschnellen Fußabwehr bei einem Damaschin-Schuß (72.) blendend reagierte.

Am Ende hat es mit einigen Schrecksekunden zu einer guten Ausgangsposition für das Rückspiel gereicht. „Aber es ist erst Halbzeit“, warnte Trainer Reinhard Häfner noch in Bukarest vor übertriebenem Optimismus. Für den erstmaligen Einzug in ein EC-Halbfinale werden sich am 15. März vor heimischer Kulisse sicherlich elf Dynamos 90 Minuten lang zerreißen!
Torschütze Torsten Gütschow:
Ich stand wieder einmal goldrichtig
Beim sechsten EC-Einsatz der fünfte Gütschow-Treffer. Geht es so weiter?
Das wäre schön. Aber wer die Tore erzielt, ist egal. Unser einziges Ziel ist es, daß wir das Halbfinale erreichen. Aber einen Treffer hatte ich mir schon vorgenommen. Nach dem Feldverweis von Ulf Kirsten, der ja ebenfalls in diesem Wettbewerb schon fünfmal erfolgreich war, ruht nun noch mehr Verantwortung auf mir.
Wie haben Sie die zum Feldverweis führende Szene gesehen?
Fast gar nicht. Wir hatten einen Freistoß auf der rechten Seite und bauten uns für einen Standard auf. Ulf rannte los, dann sah ich nur noch den Rumänen am Boden liegen, anschließend kam die Rote Karte.
Wie hat die Mannschaft das aufgenommen?
Das war schon ein Schock, denn wir mußten ja nun fast das gesamte Spiel mit zehn Mann auskommen. Doch viel Zeit zum Überlegen blieb nicht. Uwe Pilz und Andreas Trautmann vor allem haben uns angestachelt, nun noch einen Zahn zuzulegen. Ich war am Ende fix und alle.
Wie fiel das 1:0 aus der Sicht des Torschützen?

Ralf Minge verlängerte am kurzen Pfosten einen Eckball von Uwe Pilz mit dem Kopf vor das Tor, wo ich aus wenigen Metern einköpfen konnte. Das ist eine Variante, die schon öfter geklappt hat. Ich habe wieder einmal goldrichtig gestanden, habe einfach eine Nase dafür.

Wie beurteilen Sie das Spiel insgesamt?

Mit nur zehn Mann waren wir überwiegend in der Abwehr gebunden. Dort haben wir aber die Räume gut verengt, durch eine hohe Einsatzbereitschaft jedes einzelnen dem Gegner keine großen Chancen gestattet. Nach vorn ging für unsere Verhältnisse etwas zu wenig los. Aber wir waren eben einer weniger, und im Hinspiel gegen einen Gegner, von dem wir herzlich wenig wußten, kam es in erster Linie erst mal auf ein gutes Resultat an. Das ist uns gelungen.

Welchen Eindruck haben Sie jetzt von der Victoria-Elf?

In die vierte Runde des UEFA-Cups kommt man nicht allein durch Zufall. Die Bukarester verfügen schon über einige spielerische Stärken, kämpferische sowieso, auch wenn sie beim ersten Aufeinandertreffen nicht so zum Tragen gekommen sind. Darauf werden wir uns im Rückspiel noch einmal 90 Minuten lang einstellen müssen.

Wie stehen da die Chancen?

Zu Hause und mit 36 000 begeisterten Zuschauern im Rücken gibt es für uns nur ein Ziel: Wir wollen ins Halbfinale! Vielleicht sogar mit einem weiteren Tor von mir.

Der kleine und der große Bruder

Bis 1971 war Dinamo/Victoria die Reservemannschaft des inzwischen zwölffachen Landesmeisters und sechsfachen Pokalsiegers Dinamo Bukarest. Dann hat sich der kleine Bruder selbständig gemacht und in jüngster Vergangenheit einen einmaligen Siegeszug angetreten, der 1985 in die Division A und nun bei der zweiten UEFA-Cupteilnahme bis ins Viertelfinale führte. Jetzt erinnert nur noch die Sportanlage im Dinamo-Sportkomplex, lediglich 300 Meter vom großen Stadion entfernt, an die einstige Gemeinsamkeit. An der Victoria-Spitze steht mit Mircea Stoenescu ein früherer Nationalspieler und Oberligaschiedsrichter, und mit Florin Halagian, der an diesem Dienstag 50 Jahre alt wird, wurde vor Saisonbeginn ein Trainer verpflichtet, der mit Arges Pitesti schon zweimal Meister geworden ist. Das ist im Moment zwar noch Zukunftsmusik, denn der Abstand zu den übermächtigen Lokalmatadoren Steaua und Dinamo beträgt nach der 1. Halb- serie bereits zehn Punkte. Aber der dritte Rang soll behauptet und eine erneute UEFA-Cupteilnahme gesichert werden. Der erste Landesmeistertitel wurde 1987/88 vom Nachwuchs errungen, bei dem Spieler bis zu 21 Jahren und alle anderen Stammspieler, die nicht in der „Ersten“ zum Einsatz kommen, mitwirken können. Man baut bei Victoria stark auf den Nachwuchs. An der Seite der erfahrenen Solomon (305 Oberligaspiele) und Coras (287/118 Tore) soll er reifen, damit möglichst bald Victoria auch wieder in der Nationalmannschaft vertreten ist, in die Coras zu Beginn des vergangenen Jahres noch zweimal berufen wurde.

Der knapp dreißigjährige einstige Nationalspieler Zare, der am Dienstag nach zwei Verwarnungen ebenfalls zuschauen mußte, ist auch bereits über seinen Auswahlzenit hinweg. Doch mit Kapitän Solomon sowie dem nach einer Verletzungspause eingewechselten Mirea und dem noch verletzten Topolinski haben immerhin drei Aktive den Sprung in die Olympiaauswahl geschafft. Und die soll vor allem für die beiden Jüngeren ein Sprungbrett sein. Schritt für Schritt hat sich Victoria im rumänischen Fußball nach vorn gearbeitet, in der Oberliga mittlerweile schon einen klaren Abstand zwischen sich und 15 anderen Mannschaften gelegt. Nun soll Steaua und Dinamo den… zu Leibe gerückt werden.

Der Bukarest-Trip bot Gelegenheit, einen Tag nach der Partie Victoria-Dynamo Dresden auch den großen Bruder gegen Sampdoria Genua zu sehen. Der ist doch noch ein Stückchen voraus. Eine Galerie von Nationalspielern, zu denen nun auch noch Misa Klein von Corvinul Hunedoara gekommen ist, legte vor 25 000 begeisterten Zuschauern eine großartige erste Halbzeit hin, in der es allerdings nur zu einem Strafstoßtor von Vaiscovici reichte. Mehr ließen die nach einem Feldverweis von Carboni (10.) reduzierten italienischen Abwehrkünstler nicht zu, bei denen zwar Victor und Cerezo diesmal nicht so stark in Erscheinung traten, dafür jedoch Pellegrini und Vialli, dem schließlich fast mit dem Abpfiff nach einem bezaubernden Konter der Ausgleich gelang. m. b.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 10/1989

Viertelfinale, Rückspiel am 05.03.1989
SG Dynamo Dresden4:0 (0:0)Victoria Bukarest
Ronny TeuberGheorghe Niţu
Uwe KirchnerVictor Cojocaru
Frank LieberamCornel Mirea GK 73' RK
Andreas TrautmannMarian Pană 52' Emil Ursu
Matthias Döschner 70' Steffen BüttnerCostel Solomon
Matthias MauckschDorian Ştefan
Hans-Uwe Pilz GKPaul Layiş GK 71' Fănel Ţîră
Matthias SammerIoan Zare
Jörg StübnerMarcel Coraş
Torsten GütschowMarian Damaschin
Ralf Minge 84' Uwe JähnigSándor Kulcsár GK
Trainer: Eduard GeyerTrainer: Florin Halagian
Schiedsrichter:Erik Fredriksson - Nilsson, Sjoestroem (alle Schweden)
Zuschauer:36.000 im Dynamostadion in Dresden
Tore:1:0, 2:0 Ralf Minge (47., 77.), 3:0, 4:0 Torsten Gütschow (87., 90. / Elfmeter).
Leistung des SchiedsrichtersVon einer souveränen Spielleitung konnte nicht die Rede sein. Der Schwede traf einige eigenwillige Freistoßentscheidungen, hätte unbedingt auch noch Stefan nach einem groben Foul an Gütschow verwarnen und erst recht Schlußmann Nitu, der den frei auf ihn zukommenden Jähnig außerhalb des Strafraums mit gestrecktem Bein stoppte, des Feldes verweisen müssen. Da fielen zwei übersehene klare Abseitsstellungen dann nicht mehr sonderlich ins Gewicht.
Statistik:Torschüsse: 12:6 (6:4); verschuldete Freistöße: 18:25 (11:13):; Eckbälle: 11:8 (7:4); Chancen: 6:1 (1:1): Abseits: 3:0 (1:0); Feldverweis: Mirea (73., wegen ab- sichtlichen Handspiels): Verwarnungen: Pilz sowie Mirea, Kulcsár, Nitu (alle wegen Foulspiels) und Layiş (wegen Unsportlichkeit); Wetter: kühl, windig, anfangs Regenschauer.
Spielbericht
Warten können kommt von Können
Von Manfred Binkowski
Solch ein Fußballfest muß man einfach miterlebt haben. Das geht unter die Haut. In dieser Beziehung ist Dresden einsame Spitze. Da konnten die Geyer-Schützlinge gar nicht anders, als ihr erwartungs- und stimmungsvolles Publikum entsprechend zu entschädigen. Wie schwer ihnen das fiel, im 88. EC-Spiel und siebenten Anlauf endlich einmal das Halbfinale in einem europäischen Pokalwettbewerb zu erreichen, das haben alle im Stadion und an den Bildschirmen gesehen und gespürt. Jeder einzelne im schwarz-gelben Dreß war bis in die Haarwurzeln motiviert und konzentriert. Das führte doch zu einiger Verkrampfung, erst später zu der erhofften Lockerheit. „Alle wußten, was sie wollten. Mit lobenswertem Engagement jedes einzelnen haben wir das angestrebte Ziel erreicht“, freute sich Vorsitzender Alfons Saupe.

Viele, und ich gestehe, als Augenzeuge von Bukarest auch dazuzugehören, hatten sich die Rückspielaufgabe leichter vorgestellt. Zu Hause jeweils 2:0 gegen Aberdeen und Rom, 4:1 gegen Waregem, nur ein einziges Gegentor in 270 Minuten – das schien ein sicheres Unterpfand. Aber da war als deutliche Warnung auch die Tatsache, daß Victoria in allen bisherigen drei Auswärtsspielen wenigstens immer ein Tor erzielt hat (Sliema Wanderers 2:0, Dynamo Minsk 1:2, TPS Turku 2:3). Während auf den Gastgebern ein zentnerschwerer Erwartungsdruck lastete, hatten die Rumänen nichts mehr zu verlieren. So wirkten die einen einige Zeit ziemlich gehemmt, nachdem Gütschows Kopfballchance (3.) lange die einzige Möglichkeit blieb, wuchsen die anderen mit einer erstaunlich selbstbewußten Haltung über sich hinaus, bewiesen sie, daß sie nach den beiden großen Ortsrivalen Steaua und Dinamo die Nummer 3 im starken rumänischen Fußball sind.

Während Kapitän Solomon von Stübner nahezu ausgeschaltet wurde, machte der kaum vom Ball zu trennende Coras seinem Gegenüber Trautmann mächtig zu schaffen, stieß auf der rechten Seite Cojocaru immer wieder gefährlich mit vor, setzten sich die beiden Angreifer Damaschin und Culcear recht wirkungsvoll in Szene. Trotz manch heikler Situation am und im eigenen Strafraum gab sich die Dynamo-Abwehr, in der neben Lieberam, Trautmann und dem nach seiner Verletzung doch einsatzfähigen Döschner auch Maucksch erfreulich selbstbewußt auftrumpfte, jedoch keine entscheidende Blöße. So blieb es bei einem 20-m- Aufsetzer von Coras, den Teuber prallen ließ (23.).

„Daß wir anfangs nicht die gewohnte Angriffswirkung erzielten, lag daran, daß jeder im Hinterkopf hatte, ein 0:0 reicht, so das letzte Risiko scheute“, meinte Ralf Minge. Und Trainer Reinhard Häfner begründete diese Phase so: Wir haben auf unsere Chance gewartet, hatten doch keine Veranlassung, auf Teufel komm raus zu stürmen.“ Dieses Warten können, das natürlich Vertrauen in das eigene Können voraussetzt, führte schließlich zum Erfolg. Und zu was für einem! Den Bann brach nach schönem Zusammenwirken von Pilz, Sammer, Stübner und Maucksch mit unhaltbarem Kopfball Minge, der damit als erster Torschütze des Abends eine Riesensalami von mehr als drei Metern gewann, die im wieder stimmungsvollen Vorprogramm auf einer Stadionrunde präsentiert wurde. Danach schien die Unruhe in den Reihen der Schwarz-Gelben aber beinahe noch etwas größer zu werden, doch vom eingeschlagenen Halbfinalkurs ließen sie sich nicht mehr abbringen. Wiederum Minge mit einem sagenhaften 18-m-Schuß sowie der von Anfang an nicht minder agile Gütschow mit seinen 1988/89er EC-Treffern Nr. 6 und 7 schraubten das Ergebnis in kaum erwartete Höhen. Beide Male war der bis dahin sehr sichere Schlußmann Nitu mit Fouls an Jähnig und Gütschow der Ausgangspunkt. Die Enttäuschung bei den Gästen saß tief. Kein Trainer oder Offizieller erschien zur üblichen Pressekonferenz, war zu einem Kommentar bereit.

Nun fiebert Dresden dem Halbfinale entgegen. Es wird unter Garantie wieder ein Fußballfest!

Erst taktiert, dann abserviert

Von Günter Simon

Die Bukarester Victoria hätte ihrem Namen schon alle Ehre machen müssen, um unter die letzten vier vorzustoßen. Kapitän Costel Solomon (29) machte die bekannte Auswärtsrechnung auf: „Dynamo lange hinhalten. Ein Tor genügt uns zum Sieg!“

Trainer Florin Halagians Optimismus war erstaunlich: „Wir werden Dresden aus dem Rhythmus bringen, schnell kontern, elastisch spielen.“ Auch die Bukarester mußten erst eine Schrecksekunde überwinden, als sie den Rasen des Dynamo-Stadions betraten. Sie spürten Begeisterung, die Wand, die hinter den Gastgebern stand. Dennoch ließen sich die Gäste nicht von ihren taktischen Vorstellungen abnabeln. Sie boten Härte an, gingen höchst respektlos mit Gütschow, Sammer, Pilz und Minge um. „Gelb“- Risiko kalkulierten sie ein. Diese bedingungslose Fighterphase hatte den Abschreckungseffekt. Dynamo wurde tatsächlich zu großer Vorsicht gezwungen, weil sich vor allem Marcel Coras, der 29jährige 90-Kilo-Mann, geschickt in Szene zu setzen verstand. Ich will nicht behaupten, daß die erst 1971 gegründete Victoria zu hochklassigem Klubfußball befähigt war. Aber das stilistische Mittel des Flachpasses aus der engeren Abwehr heraus auf den zumeist anspielbaren Coras, das beherrschten die Rumänen. Wie auch immer angespielt, Coras machte was mit dem Ball, mit dem Körper, mit Trautmann, der höllisch auf der Hut sein mußte! Auf sein Tor waren die Blauen scharf – vergeblich!

Noch interessanter wurde das Verhalten der Gäste nach Minges Kopfball-Führungstor zu einer Zeit (47.), die für jede Elf zu einem psychologischen Fenstersturz werden kann. Jetzt, im Rückstand, mußte ihre Angriffs-Antwort kommen. Sicherlich kamen die Dresdner ihrem unbequemen Widersacher entgegen, weil sie im Mittelfeld das konsequente Forechecking unterließen. Aber unübersehbar war auch das Nachrücken der Rumänen. Alle Mannschaftsteile schoben sich näher an den Dynamo-Strafraum heran. In vier, fünf Sze- nen zwischen der 48. und 76. Minute bliesen die Gäste in die Glut, daß die Funken im Dynamo-Strafraum stoben, Spieler-“Vollversammlungen“ in Tornähe waren seit jeher gefährlich; auch für Dynamo! Aber zum entscheidenden Torschuß, zum platzierten Kopfball, zum Alleingang kamen die Bukarester nicht, weil sie nun auf die Abwehrdisziplin der Dresdner trafen.

Am Ende kam Victoria-Trainer Halagian nicht über die Enttäuschung hinweg und blieb der Presse- konferenz fern. Kein Zeichen von Souveränität und Selbstbeherrschung, adäquat dem „Einbruch“ seiner Elf. Nach Minges 2:0 (77.) kam der (Dynamo-) Stein endgültig ins Rollen, das Abwehrgefüge der Victoria wurde zerschmettert. Der Rest waren Schlußmann Nitus Kurzschlußreaktionen. Eine abservierte Victoria verließ den Rasen mit einer bitteren 0:4-Wahrheit. Ein 0:1 oder 0:2 wäre ohnehin nur eine süße Lüge gewesen.

Trainer Eduard Geyer im Gespräch:

Moral, Disziplin gaben Ausschlag

Wann waren Sie endgültig vom Einzug in das Halbfinale überzeugt?

Als das dritte Tor fiel. Nach dem 2:0 war noch eine knappe Viertelstunde zu spielen. Da ist im Fußball man- ches möglich.

Was hat den entscheidenden Ausschlag gegeben?

Daß wir unsere Marschroute eingehalten haben, mit hoher Moral und Disziplin, mit berge versetzendem Kampfgeist bis zuletzt zu Werke gegangen sind. Das 4:0 täuscht etwas über den Spielverlauf hinweg. Wir hatten einige Ängste zu überstehen, nach dem 1:0 noch einmal eine Durststrecke. Das 2:0 hat dann nochmals alle mächtig motiviert.

Waren Sie von der zwar abwartenden, aber doch recht offensiven Haltung der Gäste überrascht?

Eigentlich nicht. Zum Weiterkommen mußten sie ja mindestens einen Treffer erzielen. Den haben sie lange Zeit recht gekonnt angestrebt. Die Victoria-Elf hat eine starke Leistung geboten, die ihr viele nach dem 1:1 von Bukarest vielleicht nicht zugetraut haben.

Wann sahen Sie in den bisherigen acht Spielen die größte Gefahr für das erstmalige Vordringen in das
Halbfinale?

Eigentlich in jeder Runde. Gegen Aberdeen hatten wir beim 0:0 einige schwierige Situationen zu überstehen, gegen Waregem nach dem 4:1-Heimsieg beim 0:2- Rückstand große Probleme. Die wenigsten Sorgen gab es eigentlich gegen den vermeintlich stärksten Kontrahenten AS Rom, gegen ihn hatten wir im Grunde genommen nichts zu verlieren, haben wir zweimal sehr gut gespielt und jeweils 2:0 gewonnen.

Die bisher erzielten 16 Tore verteilen sich auf lediglich vier Spieler. Neben den beiden Torjägern Gütschow und Kirsten, die sieben- und fünfmal erfolgreich waren, trafen nur noch Minge drei- und Kirchner einmal. Haben die anderen EC-Ladehemmungen?

Wer die Tore schießt, ist egal. Hauptsache, es wird überhaupt getroffen. Im Flügelspiel und in der Angriffs- unterstützung aus den hinteren Reihen haben wir aber noch große Reserven. Daran arbeiten wir.

Und wie stehen nun die Chancen gegen den VfB Stuttgart?

Wer soweit gekommen ist, will natürlich auch ins Finale. Das ist jetzt unser erklärtes Ziel. Dazu bedarf es erneut vollster Konzentration jedes einzelnen. Wir haben ja gegen Stuttgart auch noch etwas gutzumachen, sind gegen den VfB im UEFA-Cupwettbewerb 1979/80 nach einem 1:1 zu Hause und einem 0:0 durch die Auswärtstoreregelung ausgeschieden. Diesmal wollen wir das bessere Ende für uns haben. m. b.

Halbfinale, Hinspiel am 05.04.1989
VfB Stuttgart1:0 (0:0)SG Dynamo Dresden
Eike ImmelRonny Teuber
Srečko KatanecUwe Kirchner
Nils SchmälerFrank Lieberam
Guido BuchwaldAndreas Trautmann
Karl AllgöwerMatthias Döschner GK 46' Steffen Büttner
Maurizio GaudinoRalf Hauptmann
Jürgen Hartmann GKHans-Uwe Pilz
Michael SchröderMatthias Sammer
Ásgeir SigurvinssonJörg Stübner
Jürgen Klinsmann 61' Olaf SchmälerTorsten Gütschow 77' Uwe Jähnig
Fritz WalterRalf Minge GK
Trainer: Arie HaanTrainer: Eduard Geyer
Schiedsrichter:Lajos Németh - Plasek, Fekete (alle Ungarn)
Zuschauer:55.000 im Neckarstadion in Stuttgart
Tore:1:0 Karl Allgöwer (69.).
Leistung des SchiedsrichtersKeine klare, einheitliche Spielleitung. Nemeth zeigte von Anfang an großen „Gefallen" an Gaudinos Fallkünsten, belohnte jeden Versuch mit Freistoß. Er verwarnte Sigurvinsson für zwei grobe Fouls gleich in der Anfangsphase nicht, dafür jedoch Döschner für ein Allerweltsfoul, womit er nun für das Rückspiel gesperrt ist, und dann völlig unvertretbar den bis dahin nicht durch eine einzige Unsauberkeit aufgefallenen Minge, als er in einem Laufduell Gaudino zu Fall brachte. Der Ungar gab auch zwei Eckbälle, obwohl ganz klar erkennbar Gaudino bzw. Büttner den Ball über die gegnerische Grundlinie befördert hatten.
Statistik:Torschüsse: 12:7 (6:2); verschuldete Freistöße: 12:20 (9:10); Eckbälle: 13:4 (7:1); Chancen: 6:2 (3:1); Abseits: 0:3 (0:3); Verwarnungen: Hartmann und Döschner (wegen Foulspiels), Minge (wegen Zufallbringens eines Gegenspielers); Wetter: trocken, mild.
Spielbericht

Dynamo ließ aus Forderungen Fragen werden

DAS VORSPIEL, Der VfB Stuttgart bei seinem 12. EC-Start zum drittenmal, Dynamo Dresden bei der 18. Teilnahme erstmals im Halbfinale – da ist das Ziel wohl klar: Einzug in das Finale. Um es zu erreichen, wird jede Möglichkeit genutzt, vor allem die des Publikums als zwölfter Mann, wie es immer so schön heißt. Die Stimmung in der Öffentlichkeit wurde nahezu auf den Siedepunkt gebracht. Das Endspiel muß VfB gegen Neapel heißen“, lauteten Schlagzeilen in den Zeitungen, die in Anführungsstrichen standen, aus dem Munde von Trainer Arie Haan kamen, der als Spieler schon den Cup der Landesmeister (mit Ajax Amsterdam 1971, 1972, 1973) und der Pokalsieger (mit RSC Anderlecht 1976 und 1978) errungen hat, als Trainer nun die Sammlung mit dem UEFA-Cup komplett machen möchte. Die 50 000 im Stadion konnten kaum mehr angeheizt werden. Die riesige Anzeigetafel wurde ausgiebig als Videobildschirm zur Einstimmung genutzt. Und Jürgen Klinsmann erschien nach fast achtwöchiger Verletzungspause später als seine Mannschaftskameraden zum Erwärmen auf dem Spielfeld, um so noch für besondere Beifallswogen zu sorgen. Da kamen die Dresdner, die immer wieder an das 3:7 von Uerdingen „erinnert“ wurden, in einen wahren Hexenkessel. VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, Minister für Kultur und Sport in Baden-Württemberg, machte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel dem Publikum „ein großes Kompliment, es hat selten so hinter der Mannschaft gestanden“.

DAS HAUPTSPIEL. Dynamo sollte überrollt werden. Die Gastgeber begannen mit einem unglaublichen Feuer, wollten schnell ein, zwei Treffer vorlegen, eine frühzeitige Entscheidung erzwingen. In den ersten 20 Minuten gab es einige heikle Situationen. Da waren vor allem Gaudino, den Döschner beschatten sollte, und Sigurvinsson kaum zu binden, pfiffen gleich sieben Eckbälle durch den Torraum, verfehlte Walter eine Eingabe kurz vor dem Tor nur knapp, ein Katanec-Schuß sein Ziel ebenso. Doch als das überstanden war, atmeten die Schwarz-Gelben tief durch. Stübner und Pilz setzten nun die Ruhepunkte, leiteten mit klugen, ballsicheren Aktionen die ersten Angriffe ein. Wenn Sammer, der ebenfalls äußerst fleißig operierte, viel für den Spielaufbau leistete, im Abschluß etwas kaltblütiger gewesen wäre, hätte Dynamo durchaus in Führung gehen können, Doch da ließ er sich zu leicht stoppen (20.) oder schoß unkonzentriert, überhastet (42., 49., 58.), während Pilz mit einem Kopfball nach einer Stübner-Eingabe Immel zu seiner größten Parade zwang (28.). „Da hat sich gezeigt, daß unsere jungen Spieler noch nicht genug ausgereift sind, um solche guten Möglichkeiten erfolgreich abzuschließen“, stellte Trainer Eduard Geyer fest, der angesichts dessen mit dem Ergebnis nicht, mit dem Spielverlauf aber schon recht zufrieden war. Da Trautmann Klinsmann voll- kommen im Griff hatte, Minge den zuletzt so wirkungsvoll auftrumpfenden Katanec ebenso zur Wirkungslosigkeit verurteilte wie auf der Gegenseite allerdings auch Buchwald Gütschow, hatte sich die Partie fast schon auf ein 0:0 eingepegelt. Da schlug einmal mehr der äußerst offensive Libero Allgöwer zu, machte seinem Spitznamen „Knallgöwer“ alle Ehre. Erst stellte er Teuber mit einem 22-m-Schuß auf die Probe (52.), eine gute Viertelstunde später ließ er ihm mit einer technischen Meisterleistung keinerlei Chance (69.). Danach mußte Teuber noch zweimal gegen Gaudino und Walter klären. So blieb es beim alles offenlassenden 1:0 in einem zwar nicht hochklassigen, aber guten, tempo- und abwechslungsreichen Spiel, das in erster Linie vom Einsatz geprägt war. Spiele dieser Bedeutung bringen nun einmal nicht mehr die Hohe Schule des Fußballs hervor, ansehenswert und spannend sind sie allemal!

DAS NACHSPIEL, Das Pokerspiel ging nach dem Abpfiff weiter. „Dresden muß erstmals in diesem Wettbewerb eine Aufholjagd starten. Mit einem gesunden Klinsmann werden wir auch in Dresden ein Tor erzielen, das müßte reichen“, versuchte Arie Haan Optimismus zu verbreiten. Dieselbe Zeitung, die tags zuvor das Finale Stuttgart gegen Neapel gefordert hatte, buk allerdings schon etwas kleinere Brötchen, fragte jetzt in der Überschrift: „1:0, ob’s dem VfB für das Finale reicht?“ Die Dynamo-Elf hat sich eine gute Ausgangsposition geschaffen. Die muß nun am 19. April mit vollster Konzentration jedes einzelnen clever genutzt werden.

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 15/1989

Halbfinale, Rückspiel am 19.04.1989
SG Dynamo Dresden1:1 (0:0)VfB Stuttgart
Ronny TeuberEike Immel
Steffen BüttnerSrečko Katanec
Uwe Kirchner 67' Uwe JähnigNils Schmäler
Frank LieberamGuido Buchwald 79' Rainer Zietsch
Andreas Trautmann GKGünther Schäfer
Ralf HauptmannKarl Allgöwer
Hans-Uwe Pilz GKMaurizio Gaudino
Matthias SammerJürgen Hartmann
Jörg StübnerMichael Schröder
Torsten Gütschow GKÁsgeir Sigurvinsson GK
Ralf MingeJürgen Klinsmann GK
Trainer: Eduard GeyerTrainer: Arie Haan
Schiedsrichter:Horst Brummeier - Steindl, Sedlack (alle Österreich)
Zuschauer:38.000 im Dynamostadion in Dresden
Tore:0:1 Karl Allgöwer (64.), 1:1 Frank Lieberam (83.).
Leistung des SchiedsrichtersBrummeier lieferte in der kampfbetonten, zugegebenermaßen nicht leicht zu leitenden Partie eine schwache Leistung. Er schien sehr einseitig orientiert, strapazierte mehrfach die Gemüter, duldete die zeitschindende Spielweise der Gäste, ließ Buchwald und Katanec minutenlang auf dem Spielfeld behandeln. brauchte einmal fast ebenso lange, um bei einem klaren Ausball die Fahne des Linienrichters zu bemerken. Von solch einem erfahrenen Mann hätte man eine abgeklärtere Spielleitung erwarten dürfen!
Statistik:Torschüsse: 13:7 (8:3); verschuldete Freistöße: 26:19 (12:11); Eckbälle: 13:4 (6:1); Chancen: 5:2 (2:0); Abseits: 5:5 (2:0); Verwarnungen: Pilz (wegen Un- sportlichkeit), Gütschow, Trautmann sowie Klinsmann und Sigurvinsson (wegen Foulspiels); Wetter: trübe, regnerisch, zeitweise leichter Regen.
Spielbericht

Fehlschüsse mit falschem Kaliber
Von Manfred Binkowski
DIE HOFFNUNG. Wenn eine Mannschaft so weit gekommen ist, vier Runden mit acht Spielen erfolgreich überstanden hat, dann ist es wohl normal, daß sie nun auch ins Finale will. Die Dresdner standen erstmals vor diesem Ziel, die Stuttgarter schafften im dritten Anlauf den größten Erfolg in ihrer fast hundertjährigen Vereinsgeschichte. Die Vorbereitungen auf das Dresdner Treffen begannen unmittelbar nach dem Abpfiff 14 Tage zuvor im Neckarstadion. „Ein Tor werden wir auch in Dresden machen, das müßte reichen“, hatte VfB-Trainer Arie Haan angekündigt. Eduard Geyers Hoffnungen gingen vor allem in zwei Richtungen: daß eine ganze Reihe verletzter Spieler einsatzfähig sein würde und vor heimischer Kulisse mit einem großartigen Publikum im Rücken selbstbewußt aufgespielt wird, die Chancen resolut genutzt werden.

DIE REALITÄT. Nur die erste Hoffnung von Eduard Geyer erfüllte sich. Bis auf die gesperrten Kirsten und Döschner sowie den lange verletzten Diebitz konnte er sein stärkstes Aufgebot aufs Feld führen. Die Formierung der Gäste ließ gleich erheblichen Respekt erkennen. Mit Walter wurde der erfolgreichste VfB-Torschütze in dieser Saison (zehn Treffer) für Schäfer, einen zusätzlichen Verteidiger, geopfert, gegenüber zwei Manndeckern im Hinspiel (Buchwald, Schmäler) operierte eine Viererkette vor Libero Allgöwer und davor als freier Mann noch Sigurvinsson. Er vor allem war es, der das Tempo verschleppte, für viele Ballpassagen weit in der eigenen Hälfte sorgte, um Zeit zu gewinnen, Ruhe einziehen zu lassen und den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen.

Dynamo begann so, wie es jeder erwartet hatte, worauf die Schwaben eingestellt waren. Der Gegner wurde sofort unter Druck gesetzt. Ein möglichst frühes Tor sollte erst einmal den Gleichstand herstellen, gleichzeitig beflügeln und den Kontrahenten verunsichern, aus der Reserve locken. Sechs Ecken in den ersten zehn Minuten spiegelten das wider. Die zweite von Pilz klatschte an die Latte (4.), gute Möglichkeiten für Sammer (15.) und Gütschow (18.) führten nicht zum Erfolg. Dann wurde das Pulver leider feucht, obendrein das falsche Kaliber gewählt. Die Schwarz-Gelben fanden nun nicht mehr zu der spielerischen Linie und zu dem Angriffsschwung, der sie bisher, insbesondere in heimischer Umgebung, ausgezeichnet hat. Statt ihrem spielerischen Vermögen, den arteigenen tempostarken und ballsicheren Aktionen, die zu einem Gütezeichen geworden sind, zu vertrauen, betonten sie zu sehr die kämpferische Seite. Da die routinierten Gäste mit Nationalspielern aus drei Ländern auch in dieser Beziehung mühelos mithielten, zeitigte das keinerlei Erfolg, litt darunter vielmehr das spielerische Niveau, das beide Mannschaften zu bieten vermögen. „So wenig Chancen hat sich Dynamo zu Hause selten erspielt. Dabei muß man allerdings auch anerkennen, daß Stuttgart sehr clever gespielt hat, durch eine gute Raumaufteilung gefiel“, bemerkte Nationalmannschaftstrainer Frank Engel. „Kompliment meiner Mannschaft. Sie hat dafür gesorgt, daß Dresden heute auf eigenem Platz nicht so auftrumpfen konnte wie sonst“, strahlte Arie Haan.

So kam es wie oft in solchen Fällen. Die eine Mannschaft rennt sich fest und fester, die andere macht aus wenig viel. Genau nach einer halben Stunde gab Allgöwer mit einem Freistoß den ersten Schuß in Richtung Teubers Gehäuse ab, bei einem weiteren war der Schütze des 1:0 von Stuttgart mit einem 22-m-Flachschuß erfolgreich (64.). Nun mußte Dynamo schon drei Tore machen. Im energischen Aufbäumen („jetzt haben die Dresdner so druckvoll gespielt, wie wir es von Anfang an erwartet haben“, meinte Libero Allgöwer) gelang Lieberam der Ausgleich (83.), stellte der Libero kurz darauf mit einem kapitalen Schuß Immel auf die Probe. Zu mehr reichte es nicht.

DIE ENTTÄUSCHUNG. Sie war natürlich groß und verständlich. Doch die Elbestädter sind mit erhobenem Kopf ausgeschieden. Sie haben mit dem FC Aberdeen, KSV Waregem, AS Rom und Victoria Bukarest renommierte Mannschaften ausgeschaltet, viele gute Spiele geboten. Gegen den VfB Stuttgart hat es nicht ganz gereicht. Er war besser besetzt und im entscheidenden Moment um dieses Quentchen stärker. Das schmälert in keiner Weise das gute Abschneiden unseres angehenden Meisters, der für einige Sonnen- strahlen in unserer Fußball-Landschaft gesorgt hat und nun im nächsten EC-Wettbewerb beweisen will (und hoffentlich wird), daß er ein weiteres Stück vorangekommen ist.

Ein erstes Fazit von Trainer Eduard Geyer:

Nach vorn noch zielstrebiger werden

Wie lautet ein erstes Trainerfazit nach dem knappen Scheitern so kurz vor dem Finale?

Wir wollten die Stuttgarter mit Kraft und Wucht, mit viel Engagement sofort unter Druck setzen. Das Spiel fing auch ganz gut an, wir hatten gleich einige Möglichkeiten. Aber in der torgefährlichen Zone, in den spielentscheidenden Handlungen besaßen wir heute keinen Mann, um die durchaus verwundbare gegne- rische Abwehr zu bezwingen.

Das Finale war also durchaus zu erreichen?

Auf jeden Fall. Der Weg dorthin ist lang. Immerhin sind zuvor fünf Runden zu überstehen. In ihnen haben wir mehrere gute und erfolgreiche Spiele geliefert. Als es nun galt, den entscheidenden Schritt zu machen, konnten wir leider nicht daran anknüpfen.

An der Abwehr hat es nicht gelegen. Sie gab sich in den zehn Spielen nur sechsmal geschlagen, blieb fünfmal ohne Gegentor.

Diese Zahlen stellen unserer Abwehr ein gutes Zeugnis aus. Sie hat diszipliniert gespielt und der Mannschaft den Rücken gestärkt. Aber nach vorn muß mit mehr Zielstrebigkeit operiert werden, dürfen die Bälle nicht vertändelt werden. So viele Chancen erspielt man sich heutzutage nicht mehr. Da fiel auch auf, daß wir nicht einen torgefährlichen Freistoß geschossen haben.

Nur vier Torschützen für die vorangegangenen 16 Treffer gegen Stuttgart kam nun noch Lieberam hinzu – erscheinen ein bißchen wenig.

So ist es. Gütschow, mit sieben Treffern unser bester Schütze, kam in den beiden Spielen gegen Stuttgart überhaupt nicht zum Zuge. Da Kirsten, der fünfmal erfolgreich war, fehlte, blieb nur noch Minge mit bisher drei Erfolgen. Es ist zwar egal, wer am Ende den Ball über die gegnerische Torlinie befördert, aber je mehr Torjäger eine Mannschaft hat, desto schwerer ist sie auszurechnen. Daran mangelt es bei uns vor allem aus der zweiten Reihe und aus der Abwehr. Sammer beispielsweise hat in allen zehn Spielen trotz zahlreicher Chancen nicht einen einzigen Torerfolg zustande gebracht.

Ein Feldverweis, insgesamt 18 Verwarnungen und neun Zwangspausen, die Kirsten nach seinem Feldverweis sowie Pilz und Gütschow nach zweimal Gelb noch im ersten Spiel des nächsten Wettbewerbs zum Zuschauen verurteilen, waren ein weiteres großes Handikap.

Das stimmt, erscheint mir in einem solch langen Wettbewerb, in dem die Nerven doch arg strapaziert werden, aber nicht ungewöhnlich. Fast alle wurden im Kampf um den Ball kassiert, nicht etwa wegen Meckerns oder Ballwegschlagens. Aber es stimmt schon, auch das ist verbesserungsbedürftig, um unsere ohnehin dünne Spielerdecke nicht zusätzlich zu schwächen.

m. b.

Keine Show auf dem Rasen
Von Günter Simon
Es wird eine Zeit dauern, um aus dem fruchtlosen Zustand der Enttäuschungen herauszukommen, die sich mit dem Magdeburger 0:2 gegen die Türkei und dem Dresdner 1:1 gegen den VfB Stuttgart verbinden. Verlorene WM-Endrundenillusionen, das „Aus“ für die beiden UEFA-Cupendspiele – es fröstelte im Wonne-monat Mai.

Dabei hätte ich den Dresdner Dynamos und ihrem enthusiastischen Anhang das Erlebnis Neapel mit Maradona, Careca, Carnevale, de Napoli am 3. Mai in Italien und am 17. Mai in Elbflorenz gegönnt. Die einmalige Atmosphäre im San Paolo hatte in der 2. Runde des UEFA-Cups schon den 1. FC Lok Leipzig fasziniert. Kaum vorstellbar, welches Endspiel-Szenarium die heißblütigen Azzurri nun aus den kleinen grauen Gehirnzellen zaubern werden. In Neapel hatte SSC-Trainer Ottavio Bianchi bereits im November ’88 Stein und Bein geschworen, daß Napoli das Finale erreicht. Die von Dresden eliminierte Roma und das große Inter waren für Maradona und Co. gar kein Thema auf dem Weg ins Finale. Und bei den Einkaufspraktiken in der „besten Liga der Welt“ mit dem ausschließlichen Qualitätssteigerungseffekt braucht niemand in Ehrfurcht zu geraten, daß die Italiener mit dem AC Milan, Sampdoria und Neapel gleich in allen drei europäischen Cupendspielen präsent sind. Steaua Bukarest, der FC Barcelona und der VfB Stuttgart werden sich warm anziehen müssen!

Die Show ging am vergangenen Mittwoch im Dynamo-Stadion außerhalb des Rasens unter die Haut. Im Gegensatz zum „Kreisel“ machten es die Gelb-Schwarzen diesmal „Oberliga-klassisch“. Dieses Blatt auszureizen, gelang ihnen nur sporadisch. Verbissenheit führt höchst selten zu klaren Köpfen, zumeist enden derartige Konzeptionen als „Verschnitt“. Nichts da von Show auf dem satten Grün, zu schade, weil Dynamo gerade in dieser UEFA-Cupkonkurrenz damit nicht gegeizt hatte.

Einige gute Erfahrungen werden nachwirken. Da ist die Unterhaltungsstunde vor Spielbeginn mit Koryphäen aus Kunst und Sport. Auch diesmal kreisten die Tandembesatzungen mit Kristin Otto/Olaf Ludwig oder Chri- sta Luding/Michael Hübner um die Bahn, gaben Dixieland-Gruppen ihrem Affen Zucker, gab es beim Fußballtennis der Alten“ wie Peter Ducke, „Zwecke“ Kühn, Harald Irmscher, Gerd Kische, Frank Ganzera, Gerd Heidler und anderen Könnern von einst Genüßliches aus der Trickkiste zu sehen. Und für die kommende Titelfeier stecken die Ideen schon in den Köpfen der Macher um „Zimmi“. Bei den schlechten ,,Rot“- und „Gelb“-Erfahrungen dachte im Dynamo-Stadion ohnehin jeder an die fehlenden Kirsten und Döschner. Mit ihnen wäre vielleicht jenes Powerplay aufzuziehen gewesen, das alle schmerzlich vermißten.

Als Allgöwers flacher Freistoß zum 0:1 bei Teuber einschlug, Klinsmann davor aus der Mauer gesprungen war, mußte ich unwillkürlich an Rivelinos Freistoßtor in Hannover im „74er WM-Endrundenspiel zwischen der DDR und Brasilien denken. Damals hatten sich Marinho und Valdomeiro aus unserer Abwehrreihe entfernt, dazwischen knallte der Schnauzbärtige von den Corinthians aus Sao Paulo Croy das Leder ins Netz. Alles war gegen uns gelaufen. Fortsetzung folgt, siehe Allgöwer, der leise Dresdner Endspielhoffnungen gegenstandslos machte.

Die Statistik der anderen Halbfinalspiele

UEFA-Cup

Bayern München gegen SSC Neapel 2:2 (0:0) – Hinspiel 0:2
Bayern: Aumann, Nachtweih (ab 80. Johnsen), Pflügler, Flick (ab 66. Ekström), Augenthaler, Dorfner, Kögl, Reuter, Eck, Wohlfahrt, Wegmann.
SSC: Giuliani, Ferrara, Francini, Coradini, Alemao (ab 73. Bigliardi), Renica, de Napoli, Careca, Maradona, Fusi, Crippa.
Schiedsrichter: Syme (Schottland); Zuschauer: 80 000; Torfolge: 0:1 Careca (61.), 1 : 1 Flick (63.),
1:2 Careca (77.), 2:2 Reuter (80.).

Cup der Landesmeister

AC Mailand-Real Madrid 5:0 (3:0) – Hinspiel 1 : 1
AC: G. Galli, Tassotti, Maldini, Costa Curta, Colombo (ab 64. F. Galli), Baresi, Donadoni, Rijkaard, Ancelotti, Gullit (ab 57. Virdis), van Basten.
Real: Buyo, Chendo, Gordillo, Sanchis, Gallego, Michel, Schuster, Martin Vazquez, P. Llorente, Butragueno, Hugo Sanchez.
Schiedsrichter: Bonnet (Belgien); Zuschauer: 75 000; Torfolge: 1:0 Ancelotti (18.), 2:0 Rijkaard (25.), 3:0 Gullit (45.), 4:0 van Basten (49.), 5:0 Donadoni (59.).

Galatasaray Istanbul – Steaua Bukarest 1:1 (1:1) – Hinspiel 0:4
Galatasaray: Simovic, Ismail, Erhan, Semih, Arif (ab 54. K. Savas), Bulent, Tugay (ab 61. Tüfecik), Prekazi, Yusuf, Cuneyt, Kovacevic.
Steaua: Lung, Petrescu, lovan, Bumbescu, Ungureanu, Rotariu (ab 85. Negrea), Stoica (ab 59. Minea), Hagi, Dumitrescu, Balint, Piturca.
Schiedsrichter: Hackett (England); Zuschauer: 40 000 in Izmir; Torfolge: 1:0 Cuneyt (37.), 1:1 Dumitrescu (39.).

Cup der Pokalsieger

Sampdoria Genua gegen KV Mechelen 3:0 (0:0) – Hinspiel 1:2
Sampdoria: Pagliuca, St. Pellegrini (ab 75. Lanna), Salsano, Bari, Virchowod, L. Pellegrini, Victor, Cerezo, Pradella (ab 64. Bonomi), Mancini, Dossena.
KV: Preud’homme, Hofkens, Emmers, Rutjes, Deferm, Versavel, de Wilde, Demesmaeker (ab 64. Wilmots), Koeman, Ohana, Sosman.
Schiedsrichter: Stiegler (ČSSR); Zuschauer: 20 000; Torfolge: 1:0 Cerezo (71.), 2:0 Dossena (75.), 3:0 Salsano (88.).

Sredez Sofia gegen FC Barcelona 1:2 (0:1) – Hinspiel 2:4
Sredez: Walow, Mladenow, Witanow, Bezinski, G. Dimitrow, Jantschew, Kostadinow, Stoitschkow, Georgiew (ab 82. R. Stojanow), Tanew (ab 80. Donew), Kirow.
FC: Zubizarretta, Rekarte, Aloiso, Mila (ab 78. Soler), Serna, Amor, Lineker, Eusebio, Salinas, Romero, Bequiristain (ab 87. Urbano).
Schiedsrichter: Schmidthuber (BRD); Zuschauer: 51 000; Torfolge: 0:1 Lineker (25.), 1:1 Stoitschkow (65.), 1:2 Amor (83).

Quelle: Die Neue Fussballwoche Ausgabe 17/1989

Noch keine Daten verhanden.
Du hast weitere Informationen oder Fehler gefunden?
Du hast weitere Informationen zu der Saison, dem Wettbewerb oder hast einen Fehler gefunden?
Dann melde dich bei uns info(at)fussball-ddr.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert